AUFGEZEICHNET VON OLIVER GRISS UND STEFAN MATZKE (FOTO)

Wenn der TSV 1860 seine Generalprobe in Belek gegen Zweitliga-Aufsteiger Hansa Rostock (Freitag, 12.30 Uhr, db24-Ticker) spielt, dann will eine Delegation vom nächsten Auswärtsgegner Türkgücü bei den Löwen spionieren - darunter auch der neue österreichische Trainer Andreas Heraf, den db24 am Dienstag gemeinsam mit den Reportern der TZ und AZ im Hotel “Trendy Lara” besucht hat. Die 54-jährige Rapid-Legende spricht über sein neues Abenteuer, den Schleuderstuhl - und wo er mit 1860-Sportgeschäftsführer Günther Gorenzel schon zusammengearbeitet hat. Das Interview:

db24: Herr Heraf, Ihre Freunde oder Wegbegleiter müssen nach Ihrer Unterschrift bei Türkgücü gesagt haben: “Andi, bist du narrisch?”

ANDREAS HERAF: Genau so war’s (lacht).

db24: Aber warum tun Sie sich das an? Immerhin ist Türkgücü dafür bekannt, eine relativ kurze Zündschnur bei Trainern zu haben…

Welcher Stuhl im Fußball ist kein Schleudersitz? Von dem in Freiburg abgesehen. Vielleicht haben die Trainer bei Türkgücü etwas früher gewackelt als anderswo, aber wennst nix gwinnst, bist überall in der Kritik. Fußball ist Leistungssport. Und ich empfinde es immer als Ehre, wenn mich ein Verein kontaktiert. Ich wollte immer nach Deutschland. An die Bundesliga oder Zweite Liga habe ich weniger gedacht, weil ich ja kein Fantast bin. Die Dritte Liga ist super. Ich bin überzeugt, was ich kann, ja - und das kann auch bei Türkgücü funktionieren. Für mich ist das kein Abstieg. Und ich werde jeden Tag bei Türkgücü genießen. Ich hätte nichts dagegen, wenn mein Engagement länger dauert…

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db24: Warum hat man sich beim österreichischen Erstligisten SV Ried von Ihnen im November getrennt?

Ich war wegen meiner Stimmbänder vier Wochen im Krankenstand. Offenbar waren sie zufrieden, wie es ohne mich lief. Im Gespräch danach hat mir die Klarheit gefehlt, daher habe ich es abgekürzt. Halbe Geschichten sind nicht mein Ding.

db24: Sie sollen ja ein relativ unbequemer Trainer sein…

Schleifer ist das falsche Wort. Mir eilt aber ein Ruf voraus, ein bisschen unbequem zu sein. Wobei viele Leute unbequem mit geradlinig verwechseln. Ich bin ein Freund davon, die Dinge offen und ehrlich anzusprechen, was in der heutigen Zeit nicht mehr alle Menschen vertragen.

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db24: Im vergangenen Sommer sind Sie als Rieder Chefcoach mit Löwen-Trainer Michael Köllner aneinandergeraten. Was war da los?

Ach, das war halb so wild. Ein Wortgefecht nach einer Grätsche. Aber wir haben 1:0 gewonnen (lacht).

db24: Gibt’s mit 1860 sonst noch irgendwelche Verbindungen?

Ja, ich kenne natürlich Schoko Schachner. Ihn habe ich beim letzten Länderspiel getroffen. Bei meiner letzten Spielerstation in Kärnten war er mein Trainer, ich habe extrem viel von ihm gelernt. Er hat sein Wissen aus Italien mitgebracht. Ich habe extrem von ihm profitiert, auch die Ordnung am Platz. Sein Athletiktrainer war übrigens Günther Gorenzel. Aber mir hat schon alles weh getan. Er hat mich nicht mehr hinbekommen (lacht), weil ich verletzt war. Und was mir noch einfällt: Bei den beiden Uefa-Cup-Duellen zwischen Rapid und 1860 im Jahre 1996 war ich im Kader, aber leider verletzt.

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db24: Am Freitag testet 1860 in Belek gegen Rostock - mit Andi Heraf als Zuschauer?

Wenn sich die Möglichkeit ergibt, ja. In meinem Kopf ist erstmal nur Halle, unser erster Gegner. Es klingt zwar fad, aber im Derby gibt es auch nur drei Punkte. Das Hinspiel hab ich schon gesehen: Türkgücü hätte klar gewinnen müssen. In dieser Saison kann nur der Klassenerhalt das Ziel sein. Wie man aus der Vergangenheit weiß: Es sind schon bessere Teams als Türkgücü abgestiegen.

db24: Tut sich noch was mit Neuzugängen? Ex-Löwen-Kapitän Sascha Mölders (36) wäre beispielsweise auf dem Markt…

Ich habe das in den Zeitungen gelesen: Türkgücü hat gesagt, Mölders sei kein Thema, von daher habe ich mich damit nicht beschäftigt. Aber grundsätzlich hätte ich schon gern zwei Schuß frei. Wenn’s nur einer wäre, wär’s auch gut. Der Blick geht natürlich auch nach Österreich.