VON OLIVER GRISS UND CATRIN MÜLLER (MIS-FOTOS)

Auch wenn er inzwischen zu den Bundesliga-Veteranen gehört, brennt Ivica Olic (37) noch wie zu seinen besten Tagen. Wir trafen den Vollbutprofi (104 Länderspiele für Kroatien) im Trainingslager in Troia zum Interview:

dieblaue24:Herr Olic, während viele Ihrer ehemaligen Weggefährten längst in der wohlverdienten Fußballrente sind, müssen Sie im Alter von 37 Jahren noch einmal in einem Trainingslager malochen. Reicht’s immer noch nicht?

IVICA OLIC: Nein! Meine Batterie ist wieder voll aufgeladen. Ich war mit meiner Familie eine Woche in Miami, das hat sehr gut getan. Als ich mich von daheim Richtung Flughafen verabschiedet habe, sagte mein Sohn: “”Papa, super. Jetzt geht’s wieder ins Trainingslager.” Ja, es ist wirklich so. Ich bin immer noch heiß auf Fußball. Mein ganzes Leben war Training, Fußball. Ich mache das immer noch gerne, auch weil mein Knie hält. Ich genieße jedes Training, erst recht, wenn man so tolle Plätze wie hier hat. Das ist für mich Spass.

Aber an 16 Tage Trainingslager muss man sich erstmal gewöhnen, oder?

Als ich gehört habe, dass wir 16 Tage nach Portugal fliegen, war das zunächst ein Schock. Aber ich kenne das aus meiner Vergangenheit. Ich habe dreieinhalb Jahre in Moskau gespielt. Da waren lange Trainingslager Normalität. Jetzt, je älter ich werde, spüre ich natürlich jede Faser meines Körpers - es tut weh aufzustehen, aber das geht unseren jungen Spielern nicht anders (lacht).

Mittlerweile sind die Löwen eine Woche hier: Gibt’s schon die ersten Anzeichen eines Lagerkollers?

Vielleicht bei unseren jungen Spielern (lacht) - ich bin froh, wenn ich auf meinem Zimmer Ruhe habe. Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinen Ex-Vereinen beispielsweise in Antalya mit noch 20 anderen Mannschaften im selben Hotel war. Das war wie auf dem Oktoberfest, Rummel ohne Ende. Spielerberater, befreundete Ex-Kollegen. In Troia sind wir in einer kleinen Oase der Ruhe. Der Trainer braucht die Zeit, um uns kennenzulernen. Das hat schon so alles seine Richtigkeit.

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Welchen ersten Eindruck haben Sie von Vitor Pereira?

Er hat sehr hohe Ansprüche - und das ist gut so. Pereira fordert hohes Tempo, starke Taktik und gute Balltechnik. Ich wundere mich natürlich, dass so ein großer und erfahrener Trainer zu 1860 gekommen ist. Wenn ich sehe, wo er bislang war: Fenerbahce, Olympiakos und Porto - das sind Top-Vereine in Europa. Diese Klubs spielen in ihren Ländern immer um die ersten beiden Plätze, das ist ein anderes Niveau als bei 1860. Was mir besonders aufgefallen ist: Das Trainerteam kannte vom ersten Tag an jeden Namen der Spieler - und wir sind 29. Das ist großer Sport. Die sind alle super vorbereitet.

Sie haben Ihre erste Halbsaison in der Zweiten Liga hinter sich: Wie fällt Ihr Fazit aus?

Ich dachte, der Unterschied zwischen Bundesliga und 2. Liga sei nicht so groß - von wegen. Ich habe mich getäuscht. Wenn du kämpfst, läufst, die Ordnung hast und als Team auftrittst, reicht das, damit du unter den ersten Acht kommst - mit wenig fußballerischer Qualität.

1860 hat viele ehemalige Bundesliga-Profis im Kader: Doch mehr als zu Platz 14 sprang nicht dabei heraus.

(überlegt): Die fehlende Kontinuität und Stabilität im Verein sind natürlich die Hauptgründe, das seit dem Bundesliga-Abstieg nie etwas bei 1860 reifen konnte. Wir haben viele ehemalige Erstligaspieler im Kader: Aigner, Matmour oder Olic - aber die Wahrheit ist die Mannschaft. Und wir haben in vielen Spielen nicht funktioniert wie eine Mannschaft. Egal mit welcher Aufstellung oder welchem System.”

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Fehlt’s trotz Rekord-Investionen im vergangenen Sommer an der Qualität?

Wir haben viel zu viele individuelle Fehler gemacht, Geschenke verteilt. Alle haben über uns gelacht, wie einfach wir Tore kassieren. Ein großer Schwachpunkt war aber auch die Laufleistung. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn wir in diesem Ranking auf dem vorletzten Platz stehen. Wir haben einfach zu wenig gearbeitet. Wenn wir eine Spitzenmannschaft sein wollen, dann müssen wir in jedem Bereich oben stehen. Fußball ist harte Arbeit. Ich fordere in den nächsten fünf Monaten mehr Leidenschaft - vom Torwart bis zu mir vorne. Alle Spieler muss mehr tun für das Ergebnis, nicht für sich selbst.

Trotzdem: 1860 war vom großen Verletzungspech gezeichnet…

Stop! Das sind Ausreden! Ich sage: Wir haben in der Vorrunde genug Glück gehabt, ich denke nur an das Heimspiel gegen Dresden: Wir hätten 0:4 oder 0:5 verlieren können, gewinnen aber 1:0. Wir stehen zurecht im Tabellenkeller.

Deshalb musste Trainer Kosta Runjaic vorzeitig gehen…

Ich muss jetzt mal eine Lanze für Kosta brechen. Als ich zu 1860 gekommen bin, hat das alles nicht schlecht ausgesehen. Kosta hat es mit vielen Systemen, aber auch mit vielen Spielern probiert. Aber es hat nicht funktioniert. Nicht der Trainer war schuld an den Ergebnissen, sondern wir. Was kann ein Trainer machen, wenn ein Spieler den Ball nicht richtig trifft und am Torwart vorbei legt? Ich hatte außerdem das Gefühl, dass viel zu schnell die Zufriedenheit bei dem ein oder anderen Spieler eingekehrt ist, nur, weil man am Anfang ein paar Spiele gewonnen hat. Als Fußballer darfst du nie satt sein. Es liegt bei 1860 nicht am Trainer, sondern an der Mannschaft. Auch bei Daniel Bierofka haben wir nur ein Spiel mit sehr viel Glück gewonnen. Wie wir in Braunschweig gespielt haben, das war ein Skandal. Normalerweise verlierst du so ein Spiel mit 0:5.

Deswegen will Investor Hasan Ismaik die Mannschaft in der Winterpause mit neuem Blut auffrischen.

Wenn ich sehe, wie wir die Vorrunde gespielt haben, dann sage ich: Wir brauchen viele gute neue Spieler - auf jeder Position. Auch Stürmer. Wir brauchen mehr Qualität.

Wie Ivica Olic seine Zukunft plant - und wie er über Hasan Ismaik denkt, lesen Sie im zweiten Teil des großen Interviews mit der Bundesliga-Legende demnächst hier.