VON ALEX AUGUSTIN

Der Konjunktiv ist der beste Freund des Verlierers. Wäre Sebastian Boenisch zuletzt nicht in entscheidenden Momenten aus der ansonsten durchaus gefestigten Defensivreihe getanzt, hätte Sechzig wohl schon am Sonntag gegen Sandhausen den Klassenerhalt sichern können. Hätte, hätte, Abwehrkette. Die Löwen hängen mit 32 Punkten mittendrin im Abstiegsstrudel – so wie zwei Drittel aller Zweitligamannschaften. Auch wenn nun am Sonntag ein Sieg Pflicht ist, besteht also noch kein Grund zur verfrühten Panik. Der Ärger, dem viele Löwen-Fans in den letzten Tagen in den sozialen Netzwerken Luft gemacht haben, ist dennoch verständlich. Zu oft haben individuelle Fehler in dieser Saison schon Punkte gekostet. Auch wenn der Fußball, wie das gesamte Leben, nicht im Konjunktiv stattfindet, lohnt es sich doch einmal durchzurechnen, wo Sechzig ohne all die „verschenkten“ Punkte stehen würde.
5. Spieltag gegen Union Berlin (1:2): Milos Degenek spielt vor dem Siegtreffer durch Kenny Prince Redondo (40. Minute) einen zu kurzen Rückpass auf Jan Zimmermann. Redondo läuft diesen ab und schiebt ein. Trotz klarer Überlegenheit und 40-minütiger Überzahl verlieren die Löwen. (0 statt mindestens 1 Punkt)
6. Spieltag gegen St. Pauli (2:2): Beim 0:1 in der 15. Minute will Maxi Wittek den Ball auf der linken Seite quer legen, rutscht dabei aus und spielt ihn einem Pauli-Spieler in den Fuß. Der geht unbedrängt in den Strafraum. Den Querpass klärt Jan Mauersberger vor die Füße von Buchtmann, der einschießt. (1 statt 3 Punkten)
14. Spieltag gegen Braunschweig (1:2): Das 1:0 für Braunschweig resultiert aus einem Kopfball-Querschläger von Fanol Perdedaj vor die Füße von Christopher Nyman, der aus zehn Metern abzieht und trifft. In der Nachspielzeit gleichen die Löwen durch Lacazette fast noch aus. (0 statt 1 Punkt)
24. Spieltag gegen Hannover (0:1): Die Löwen machen ein Klasse-Spiel, dominieren über weite Strecken – und verlieren doch. Weil Sebastian Boenisch zu ungestüm 25 Meter vor dem Tor klären will, fällt der Ball vor die Füße eines Hannoveraners, der quer schiebt zu Martin Harnik. Dieser lässt sich die Chance alleine vor Stefan Ortega nicht nehmen. (0 statt 1 Punkt)
27. Spieltag gegen VfB Stuttgart (1:1): Auch hier die Löwen wieder stark gegen den eigentlichen Favoriten. Sie führen bis zur 92. Minute – bis Boenisch sich einen weiteren Aussetzer leistet. Anstatt den Ball einfach wegzupöhlen oder ihn zu stoppen, lässt er ihn weit vom Fuß springen. Kaminski reagiert schnell und schiebt ein (1 statt 3 Punkte)
28. Spieltag gegen Aue (0:3): Und Boenisch zum Dritten. Sechzig hat über 40 Minuten alles im Griff, bis Boenisch sich verschätzt und Nazarov nur noch mit einer Notbremse stoppen kann – Rot und Elfmeter. Das Spiel kippt und endet in einem Debakel. (0 statt 1 Punkt)

Mindestens acht Punkte haben die Löwen in dieser Saison also bereits nach individuellen Fehlern verloren. Wer nicht nach der ersten Klasse die Schule abgebrochen hat, erkennt: Mit diesen Punkten käme Sechzig auf 40 Zähler und wäre bereits gerettet – Konjunktiv. Da ist er wieder, der beste Spezl der Verlierer. Am Sonntag müssen Aigner und Co. zeigen, dass sie nicht zu Letzteren gehören. Sonst wird man den „verschenkten“ Punkten am Ende der Saison tatsächlich noch hinterher weinen.

Alex Augustin ist Gast-Kommentator bei dieblaue24. Der 22-Jährige volontiert zurzeit bei der Passauer Neuen Presse. Während seines Bachelorstudiums in Passau hat er bereits journalistische Erfahrungen bei Hospitanzen und freien Mitarbeiten beim Bayerischen Rundfunk, der Süddeutschen Zeitung und dem Straubinger Tagblatt gesammelt. Der Niederbayer aus Viechtach ist Löwe seit frühester Kindheit, hat die Leidenschaft von seinem Vater geerbt. Regelmäßig steht er in der Nordkurve und begleitet die Löwen auf Auswärtsfahrten, wenn Bugdet und Terminkalender es zulassen.