VON OLIVER GRISS

In den letzten 28 Jahren habe ich viele 1860-Mitgliederversammlungen als Löwen-Reporter, selbst im grauen Bayernliga-Alltag, hautnah miterlebt - aber keine war von so viel Hass geprägt wie an diesem denkwürdigen Sonntag in der Konzerthalle Zenith. Wo sonst Klänge der Berliner DJ-Legende Paul Kalkbrenner (Berlin Calling) aus den Boxen wummern, wurde aus einer Ecke provokant das Scheichlied gepfiffen. Unterbunden wurde dies vom Verein nicht. In Freimann wurden Andersdenkende auch beleidigt und beschimpft - oder ihnen beim Redebeitrag auch kurzerhand der Ton abgeschaltet. Was für ein unrühmliches Schauspiel. Fremdschämen war angesagt. Meinungsfreiheit ist diesem Klientel offenbar fremd. Deswegen verwundert es auch nicht, dass die ehemaligen Funktionäre Peter Cassalette und auch Christina Jodlbauer Briefchen aus der Grünwalder Straße geschickt bekamen. Der 1860-Ehrenrat beschäftigt sich mit dem Duo, weil es anders tickt als die derzeitige Führungsriege an der Grünwalder Straße. Vielmehr sollte sich der Verein bemühen, endlich Transparenz in den Laden zu bekommen. Das zahlende Mitglied hätte das verdient.

Dass erst Hasan Ismaik vor wenigen Tagen mit der Stundung seines 14-Millionen-Darlehens das Grünwalder Stadion, den Ort ihrer Glückseligkeit, möglich gemacht hat und sich zudem seit Wochen überraschenderweise zurückhält, das vergessen die Ismaik-Gegner. Die Alternative wäre das Sterbebett sprich die Insolvenz für den TSV 1860 gewesen. Was das für unseren Verein bedeutet hätte, hat Geschäftsführer Markus Fauser gestern ausführlich erklärt. Die große deutsche Fußball-Marke 1860 wäre gestorben.

Nach den Reden von Fauser und dem demokratisch gewählten Präsidenten Robert Reisinger (Glückwunsch!) hatte man kurzzeitig das Gefühl, dass es möglicherweise einen aufrichtigen Neuanfang mit Ismaik geben könne - doch der Antrag der im Verein stets agilen Ulla Hoppen (Ismaik muss weg!) zerstörte innerhalb kurzer Zeit das Giesinger Pflänzchen wieder. Und so wurde den Löwen im Rekordtempo wieder ein gemeinsames Miteinander genommen. Irgendwie schad’ drum. Es bleiben die Erinnerungen an eine erfolgreiche Zeit.