Bierofka über den Löwen-Abstieg: "Jeder versuchte, sein eigenes Süppchen zu kochen"
- VON OLIVER GRISS UND RENATE FEIL (MIS-Foto)
- 28.08.2017 08:34
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VON OLIVER GRISS UND RENATE FEIL (MIS-FOTO)
19 von möglichen 24 Punkten hat der TSV 1860 unter Daniel Bierofka bislang geholt - die Folge ist, dass der Traditionsklub Regionalliga-Erster ist. Für viele ist der 38-jährige Ex-Nationalspieler der einzige Hoffnungsträger an der Grünwalder Straße 114a. Das Fußball-Fachmagazin “kicker” hat den Löwen-Trainer zum exklusiven Interview getroffen - dabei sprach Bierofka über:
die Wunden des Abstiegs: “Ich hätte das nie gedacht. Der Abstieg war schon brutal, die ersten Tage danach extrem. Es war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich so was erlebte. Und dann wurde es nach einigen Tagen noch mal extremer mit dem Absturz in die Regionalliga. Ich habe da realisiert, wie schwer es werden wird, wieder in den Profifußball zurückzukehren. Meister werden, dann die Aufstiegsspiele gegen Top-Teams – das wird eine ganz harte Nuss.”
die Zusammenarbeit mit Vitor Pereira als Co-Trainer: “Am Anfang hatte ich ein tolles Gefühl, als Vitor Pereira kam. Ich habe eine Menge von ihm gelernt, viele Sachen mitgenommen. Bis heute muss ich sagen, dass er ein toller Trainer ist, aber sein System hat einfach nicht funktioniert. Es war keine Mannschaft auf dem Platz, es war kein Miteinander da, kein mannschaftliches Gefüge. Gegen Ende wurde es immer schlimmer. Und selbst ein erfahrener Trainer wie Pereira kam mit dem Druck nicht mehr so klar.”
die Gründe des sportlichen Absturzes: “Es wäre gut gewesen, wenn der eine oder andere Entscheidungsträger näher an der Mannschaft gewesen wäre, um ein Gefühl für die Situation zu bekommen. Aber Ian Ayre kam erst Ende April, hatte viele andere Dinge zu tun. Er konnte noch nicht richtig einschätzen, was in der Mannschaft passiert. Er war einfach zu weit weg. Vielleicht hätte man noch mal eingreifen müssen, aber selbst dann wäre es schwierig geworden. Es war einfach keine Mannschaft mehr da. Es waren Einzelspieler, und der unbedingte Wille, in der Liga zu bleiben, fehlte. Den hat man auch im Training nicht mehr richtig gespürt. Jeder versuchte, sein eigenes Süppchen zu kochen. Wir sind am Ende völlig verdient abgestiegen.”
die Tage nach dem Lizenz-Entzug: “Man muss sich mal die Situation vor Augen führen: Alle Verantwortlichen waren weg, es gab keine Spieler mehr. Kein Ansprechpartner war da. Was macht man da? Wir standen vor dem Nichts. Wir wussten nicht, welche Spielerverträge überhaupt noch gültig waren. Dazu die Insolvenz, die uns lange Zeit bedrohte. Etliche Spieler konnten und durften wochenlang keinen Vertrag unterzeichnen. Die Lichter hätten wirklich ganz ausgehen können. Es war eine Mammutaufgabe.”
die Rückkehr ins Grünwalder Stadion: “Die Stimmung derzeit bei den Heimspielen ist außergewöhnlich. Das sind englische Verhältnisse, wir leben Fußball pur. Und dem Verein, den Fans tut es einfach gut, dass wir zu unseren Wurzeln zurückgekehrt sind und im Moment den Fußball in aller Einfachheit leben. Das alles trägt dazu bei, dass sich die Menschen wieder mit der Mannschaft identifizieren können.”
Ismaik? Er äußerte mir gegenüber den Wunsch, dass ich die Mannschaft übernehme
sein Verhältnis zu Hasan Ismaik: “Wir waren immer im Austausch. Er hat früher auch die U 21 verfolgt und gratulierte mir zu den Erfolgen. Nachdem ich vor zwei Jahren interimsweise den Verein in der Liga halten konnte, hat sich ein ganz normales Verhältnis entwickelt. Wir hatten Kontakt nach dem Doppelabstieg, und er äußerte mir gegenüber den Wunsch, dass ich die Mannschaft übernehme. Momentan reden wir weniger miteinander, aber er sieht selbst, dass es derzeit gut läuft.”
die Hilfe von seinem Vater Willi Bierofka: “Wir tauschen uns viel aus und streiten uns auch oft. Er ist bei jedem Spiel vor Ort, schaut beim Training zu, und wir können sehr lebhaft über Taktik und Spielordnungen diskutieren. Er lebt alles mit. Von ihm kommen oft Denkanstöße, die mich weiterbringen.”
Vorbilder im Trainer-Business: “Ich verfolge alle Trainer. Teilweise auch die Pressekonferenzen, um zu sehen, was sie sagen und wie sie sich geben. Gerade Nagelsmann und Tedesco machen einen tollen Job. Aber nicht jeder Trainer passt zu jedem Verein. Es gibt ja schon Trainerscouts in den Klubs, die sich umschauen und potenzielle Kandidaten beobachten. Das finde ich gut. Auch zu 1860 passt nicht jeder Trainer. Wenn hier einer mit dem Anzug draußen steht und sich nicht fannah gibt, dann könnte das zum Problem werden.”