VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Daniel Bierofka ist die Allzweckwaffe beim TSV 1860. Er ist nicht nur Trainer, Kopf und auch Vorzeige-Löwe des Regionalliga-Tabellenführers, sondern irgendwie auch Pressesprecher beim Giesinger Kult-Klub. In der Talk-Runde bei “Sky90” gab der 38-Jährige am Montagabend als Gesprächspartner eine ausgezeichnete Figur ab. Bierofka sprach über:

den bitteren Doppelabstieg und den neuen Hype um Sechzig: “Wir sind im Sommer innerhalb von drei Tagen zweimal abgestiegen. Wir waren im Endeffekt tot, wir hatten nichts mehr. Keine Mannschaft, alle Funktionäre waren weg. Wir waren total am Boden, eine Welt ist zusammengebrochen. Wenn man aber sieht, was ist jetzt daraus geworden ist, können wir schon ein bisschen stolz sein.”

seine ersten Jahre bei 1860: “Ich kam aus der Regionalliga - und habe dann gleich in der Champions League-Quali gegen Leeds auflaufen dürfen. Das war eine Superzeit, ich habe mit Spielern wie Thomas Häßler oder Davor Suker zusammen gespielt. Wir hatten einen tollen Kader, tolle Fußballer - und mit Werner Lorant einen richtig guten Trainer sowie mit Karl-Heinz Wildmoser einen Präsidenten, der den Verein richtig gut geführt hat. Und dann sind leider ein paar Sachen passiert, die dem Verein nicht gut getan haben…”

1860 nach dem Absturz in die Regionalliga: Welcher Fan-Typ sind Sie?

Umfrage endete am 07.11.2017 07:00 Uhr
Ich will sportlichen Erfolg - mir ist der Stadion-Standort völlig egal!
79% (1215)
Grünwalder, Kneipen und Amateurfußball - einfach geil!
21% (331)

Teilnehmer: 1546

die Sehnsucht der Fans nach höherklassigem Fußball: “Ich glaube, das ist bei uns momentan getrennt. Die einen wollen, dass wir irgendwann schon wieder in die Dritte oder Zweite Liga kommen, wo man auf größere Klubs trifft und in größere Stadien fährt - aber es gibt auch die anderen, die das Bodenständige ein bisschen genießen. Ich vergleiche das mit England: Die gehen vorher in die Kneipen, trinken ein Bierchen - da ist gar nicht entscheidend, gegen wen wir spielen. Die genießen die Stimmung und danach gehen sie wieder in die Kneipe, diskutieren ein bisschen und gehen dann zufrieden nach Hause…”

den fehlenden Sportchef bei 1860: “Du musst als Trainer vieles auffangen. Du musst dich viel um die Öffentlichkeit kümmern, du musst Fragen beantworten, die auch der Sportdirektor abnehmen könnte.”

den Erfolgsdruck bei Münchens großer Liebe: “Es waren große Erfolge da in der Vergangenheit. Aber man muss sich auch der Realität stellen. Das ist ganz wichtig für mich. Durch die Erwartungshaltung wächst auch der Druck, der Druck auf die Mannschaft und auch auf die Verantwortlichen. Da sind wir bei der Kontinutität. Oft fallen dann die Verantwortlichen um. Ich hätte mir auch gewünscht, dass der ein oder andere mal länger geblieben wäre, ob Funktionär oder Trainer. Es wurde zu schnell gewechselt. Es wäre besser gewesen, sich gegen den Wind zu stellen und nicht umzufallen. Man hat den leichteren Weg gewählt.”

die hohe Erwartungshaltung in München: “Wir spielen zwar in der Regionalliga, aber haben eine Aufmerksamkeit wie in der Champions League. Gefühlt sind wir der FC Bayern der Regionalliga. Wir haben vier Tageszeitungen, in jeder steht eine ganze Seite über 1860. Damit muss man erstmal fertig werden. Das ist eine Riesenherausforderung für mich, mit den Jungs den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Anfangs hatten meine Spieler noch Welpenschutz, jetzt haben sie zweimal ein Derby verloren. Jetzt merken sie, was es heißt, bei 1860 Derbys zu verlieren, vor allem in der Ersten Mannschaft. Ich respektiere die Medien, sie gehen mit uns absolut korrekt um, auch mit den jungen Spielern.”

den gemeinsamen Bau der Allianz Arena: “Das war ein Kardinalfehler. Bayern brauchte 1860, um das Stadion zu bauen. Wenn du neben einem Weltverein wie Bayern in dieser Stadt existieren willst, brauchst du eine eigene Identität. Vielleicht wäre es besser gewesen, in die andere Richtung zu gehen und ein eigenes Stadion zu bauen. St. Pauli hat’s vorgemacht. 1860 braucht ein Alleinstellungsmerkmal neben dem FC Bayern.”

das Grünwalder Stadion: “Das Grünwalder ist drittliga-tauglich. Wenn wir aufsteigen sollten, könnten wir in der Dritten Liga darin spielen. Aber danach ist einfach Schluss. Die Stadt hat Richtlinien, woran sie sich halten. Deswegen ist es schwierig, dieses Stadion zu modernisieren, dass du 20.000, 25.000 oder 30.000 Plätze reinpacken könntest. Das ist fast nicht machbar - das sind die Aussagen der Stadt. Wenn wir wieder in den anderen Bereich wollen, wo es sportlich interessiert wird, dann ist es unumgänglich einen eigenen Standort für ein neues Stadion zu suchen.”

die Spielersuche bei 1860: “Für mich ist entscheidend, dass wir Spieler mit Identifikation brauchen. Ich achte auf Persönlichkeit. Gerade bei 1860 brauchst du eine charakterstarke Mannschaft. Ich habe zu meinen Spielern gesagt, wir sind temporäre Erscheinungen. Wir dürfen uns nicht zu wichtig nehmen.”