VON OLIVER GRISS

Wenn ich an die großen deutschen Mannschaften denke, dann in erster Linie an die legendären Weltmeister von 1990. An Lothar Matthäus, aber auch an Rudi Völler oder Andreas Brehme. Dieses Team hatte das, was die Deutschen immer auszeichnete: Kampf, Spirit, Leidenschaft, aber auch Technik. Auch der Wille von Bastian Schweinsteiger beim WM-Triumph 2014 in Brasilien war einzigartig, als er sich mit blutender Wunde über den Rasen schleppte und zum Gesicht des 1:0-Finalsieges über Argentinien wurde. Er ist ein deutscher Fußball-Held.

Das aktuelle DFB-Team hatte nichts mehr vom großen deutschen Glanz vergangener Tage. Es wirkt satt. Deswegen ist das historische Ausscheiden nach der WM-Vorrunde in Rußland auch keine große Überraschung, wenn man genauer hingeschaut hat. Schließlich hat es neben den fehlenden Führungskräften an weiteren Warnsignalen in den letzten Wochen nicht gemangelt. Die eher peinlichen Auftritte in der Vorbereitung gegen die Fußball-Großmächte Österreich (1:2) oder Saudi-Arabien (2:1) waren Indiz genug dafür, dass die Nationalmannschaft nicht mehr zur Creme de la Creme im Weltfußball gehört. Bestätigt haben dies hinterher die humorlosen Auftritte gegen Mexico (0:1), Schweden (2:1) und Südkorea (0:2). Weltmeisterlich war nur noch die Selbstverliebtheit, mit der man sich beim DFB gegenseitig auf die Schultern klopft.

Der deutsche Fußball braucht nach diesem Totalschaden einen kräftigen Relaunch, einen Umbruch, der offensichtliche Mängel klar aufdeckt: Die Bundesliga ist außerhalb der Vermarktung längst kein Premiumprodukt mehr. Der FC Bayern spielt sich mit den anderen 17 Klubs, oft reicht auch die B-Elf aus, um die Spiele zu gewinnen. Es fehlt die Konkurrenz. Und im Europapokal hauchen die deutschen Spitzenvereine ihren Gegnern längst keine Angst mehr ein. Deswegen braucht es neue Wege. Jeder Verein muss sich hinterfragen.

Auch in der Nachwuchsarbeit muss wieder deutlich zugelegt werden. Zurecht hat Frankfurts Jugendchef Marco Pezzaiuoli angeregt, über eine U21-Bundesliga nachzudenken. Auch die Dritte Liga, in der der TSV 1860 demnächst antritt, wird vom Verband fast stiefmütterlich behandelt. Immer mehr Vereine gehen pleite, weil Fans und Gelder fehlen. Nicht umsonst kämpft Hachings Ex-Präsident Engelbert Kupka wie ein Beserker seit Jahren für die kleinen Vereine. Auch die Debatte über die 50+1-Regel muss wieder auf den Tisch. Sie ist mehr Hindernis als Segen, noch immer gibt es keine einheitlichen Spielregeln. Die Liga braucht Kapital, um konkurrenzfähig zu bleiben. Es gibt viel zu tun. Packt an, damit es im deutschen Fußball wieder aufwärts geht.