VON OLIVER GRISS

SPD-Stadtrat Gerhard Mayer (56) steht dazu, dass er Mitglied der “Freunde des Sechzger Stadions” ist. Dem Verein will der “PRO1860”-Aktivist helfen, dass die Rückkehr in die Giesinger Kultstätte eine langfristige Geschichte wird. Das db24-Interview mit VR-Kandidat Mayer:

dieblaue24: Herr Mayer, Sie gehören seit zwei Jahren der SPD-Stadtratsfraktion an: Ihr Antrag an OB Dieter Reiter, das Grünwalder Stadion auf 18.600 Zuschauer aufzustocken, hat bei den Löwen-Fans wie eine Bombe eingeschlagen. Aber ist die Umsetzung auch realistisch?

GERHARD MAYER: Ich halte die 18.600 als weiteren Zwischenschritt für realistisch. In der Saison 2004/2005 war die Stadionkapazität bei 21.272, danach gab es im wesentlichen tatsächliche Reduzierungen in der Ostkurve durch den Neubau. Mit einer Ertüchtigung des Block J und einem entsprechenden Fluchtweg, Verkehrs- und Immissionskonzept müsste das im Bestand möglich sein.

Wie soll das funktionieren? OB Dieter Reiter hat immer wieder betont, dass mehr als 15.000 Besucher im Grünwalder Stadion nicht möglich seien…

Ich glaube das waren eher Umfeldargumente, wegen der Probleme für die Anwohner. Da die Löwenfans in der Saison 2017/2018 bewiesen haben, dass es ihnen wichtig ist in Giesing gut aufzutreten, gibt es da meines Erachtens schon Bewegung.

Wer müsste aus Ihrer Sicht für die Umbaukosten aufkommen? In Ihrem Schreiben steht, dass der Hauptmieter dafür zuständig sei. Sie wissen, dass 1860 nicht auf Rosen gebettet ist.

Wie ich oben geschrieben habe, dürfte der Aufwand auf 18.600 zu kommen überschaubar sein. Eine Umlage auf die Miete muss die Stadt vornehmen, dies wird aber sicher in einem angemessenen Maß sein. Da damit aber auch mehr Zuschauereinnahmen verbunden sind, halte ich das für den Verein für problemlos finanzierbar.

Verraten Sie uns mal, warum Sie für das Grünwalder Stadion kämpfen? Gibt es aus Ihrer Sicht ein Möglichkeit, sich die Kultstätte auf Erbpacht zu sichern?

Die Saison 2017/2018 ist hier sicherlich ein wichtiger Grund. Die positve Atmosphäre hat viel zum Erfolg beigetragen und das gilt es möglichst beizubehalten. Ich persönlich halte eine Erbpacht bei einer Übernahme der Baulasten des Stadions inklusive eines eventuellen Um- oder Ausbaus grundsätzlich für möglich. Mir ist aber derzeit nicht bekannt, wie das das Sportamt und der Stadtrat insgesamt sieht. Für den Fall, dass dies eine Option für den Verein ist, werde ich mich sicher dafür einsetzen.

Mit der Aufstockung auf 18.600 Besucher würde sich aber das größte Löwen-Problem nicht lösen. Um Gelder generieren zu können, bräuchte das Stadion Logen und Vermarktungsmöglichkeiten. Oder sehen Sie das anders?

Natürlich fehlen die Logen und eigene Vermarktungsmöglichkeiten. 18.600 Besucher und die Zulassung des Stadions für die 2.Liga kann deshalb nur ein Zwischenschritt sein, dem weitere Schritte folgen müssen.

OB Reiter hat in der Vergangenheit immer wieder das Olympiastadion als Heimspielstätte für den TSV 1860 genannt: Wie gefällt Ihnen dieser Vorschlag?

Das Problem des Olympiastadions ist die Weite, es wäre als befristeter Notnagel schon denkbar, aber viele Anpassungen an eine moderne Fussballarena sind dort nicht möglich.

Sagen Sie uns, warum man ausgerechnet Sie bei der Mitgliederversammlung am 22. Juli in den 1860-Verwaltungsrat wählen muss?

Ich würde mich freuen wenn mir die Mitglieder ihre Stimme geben, weil ich fachlich kompetent, im Sinne des
Vereins gut vernetzt und ein Mensch bin, der zu gelingender Kommunikation beiträgt.

Gehören Sie einem Lager an - und wenn ja, welchem?

Ich gehöre aus meiner Sicht keinem Lager an, sondern stehe für Kommunikation und Dialog. Als Mitglied von Pro1860 und den Freunden des 60er-Stadions kann ich aber eine gewisse inhaltliche Nähe nicht verleugnen.

Sie kommen aus der Skiabteilung, sind aber auch ein großer Fußballfan: Fehlt Ihnen nicht irgendwie die wirtschaftliche Transparenz im Verein?

Im Verein, ich trete ja für den Verwaltungsrat des e.V. an, fehlt mir die wirtschaftliche Transparenz nicht. Bei der KGaA werde ich nie verstehen, warum vorhersehbare Szenarien immer erst auf den letzten Drücker zu klären sind.

Wie bewerten Sie das “Team Profifußball” um Bernhard Winkler - macht es überhaupt Sinn, als Block aufzutreten?

Die Wahl des Verwaltungsrats ist Teil der demokratischen Strukturen des Vereins und es ist gut, dass es nicht nur neun Kandidatinnen und Kandidaten gibt. Insofern ist jede Kandidatur zu begrüßen. Über das Auftreten als Block des “Team Profifußball” bin ich nicht glücklich. Dadurch wird meines Erachtens unnötig polarisiert. Es macht es für alle die davon, gegebenenfalls auch nur im Teil, abweichende Strategien vertreten, nicht einfacher.

Schrecken Sie die letzten Jahre bei 1860 nicht ab? Kaum hat man ein Amt bei den Löwen inne, steht man nicht selten im Kreuzfeuer der Kritik.

Mir sind die Schwierigkeiten sehr bewusst, wie vermutlich alle Kandidierenden bin ich bereit das in Kauf zu nehmen, da ich überzeugt bin meinen Verein unterstützen zu können.

Besonders schlimm ist das Lagerdenken seit dem Zwangsabstieg 2017. In dieser Schärfe wurde noch nie untereinander gezankt. Die Mitgliederversammlung 2017 war ein abschreckendes Beispiel. Wie kann man die beiden Seiten wieder vereinen?

Ich glaube, dass alle Seiten sich gegenseitig zugestehen müssen, dass es ihnen um das Wohl des TSV 1860 geht. Da gibt es, wie oft, unterschiedliche Möglichkeiten, Wege und Strategien. Beschimpfungen, Unterstellungen, Drohungen und was es da alles gibt, haben da nichts verloren. Das schadet dem Verein. Ich hoffe, dass alle mehr und mehr zu dieser Einsicht kommen und es gelingt, notwendige Diskussionen um die Weiterentwicklung sachlich und zielorientiert zu führen. Dazu gehört aber auch Informationen sachlich abzuwägen und einseitige Auslegungen und Unterstellungen zu unterlassen.

Würden Sie gewählt werden, welchen Kurs würden Sie im Umgang mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik befürworten: Konfrontationskurs oder ein Miteinander auf Augenhöhe?

Wenn es ein Miteinander auf Augenhöhe gibt, ist das vorzuziehen, dazu gehören aber immer beide Partner.

Der Verwaltungsrat bestellt im Jahr 2019 den Präsidenten: Warum genießt Robert Reisinger Ihr uneingeschränktes Vertrauen?

Robert Reisinger hat in einem der schwierigsten Momente für den TSV 1860 Verantwortung übernommen und erfolgreich gearbeitet.

Schreckt es Sie nicht ab, dass Reisinger als oberster Repräsentant des Klubs bei der Aufstiegsparty einen Gläubiger mit den Worten “Scheiß FC Bayern” beleidigt oder sich auch nicht über all die Monaten von den Schmährufen gegen Hasan Ismaik distanziert hat?

Ich finde, man muß die Kirche im Dorf lassen. Bei der Euphorie einer Aufstiegsparty kann mann auch als Präsident schon mal als Fan erkennbar sein und warum sollte er sich von etwas distanzieren mit dem er nichts zu tun hat. Gerade der schwarze Freitag hat nicht zur Beliebtheit von Hasan Ismaik bei vielen Fans beigetragen, dafür trägt aber nicht Robert Reisinger die Verantwortung.

Der TSV 1860 ist seit Jahrzehnten chronisch klamm: Welchen Masterplan haben Sie, damit die KGaA eigenständig überleben kann?

Ich bin ja, wenn ich gewählt werde Mitglied im Verwaltungsrat des Vereins, der 40% der Anteile und 50%+1 der Stimmrechte der KGaA hat. Ich sehe im Rahmen eines vernünftigen Wirtschaftens auf alle Fälle die Möglichkeit schwarze Zahlen zu schreiben, davon ist aber noch kein einziger Euro Schulden getilgt und das wird die spannende Frage: Wie kann das gelingen kann? Den Masterplan dafür habe ich noch nicht, aber ich bin bereit dazu beizutragen.

Erklären Sie uns mal bitte, warum 1860 aus Ihrer Sicht selbst in der Regionalliga ein deutliches Minus geschrieben hat - und wie kann man diesen Trend stoppen?

Das ist ein interessante Frage. Mir sind noch keine seriösen Zahlen bekannt, deshalb kann ich da auch noch nicht analysieren.

Wie stehen Sie der 50+1-Regel gegenüber - und wie bewerten Sie den Kommerz im Fußball generell?

Ich stehe hinter 50+1. Ich halte viel davon, wenn es eine Identität des Vereins gibt und er mehr als ein geschäftliches Investment ist. Das schliesst Investoren nicht aus, aber der Verein sollte, seiner Identität zu Liebe, die 50+1-Möglichkeit behalten.

Was ist Ihnen lieber: 1860 als sympathischer Stadtteilverein oder erfolgreicher Erstligist?

Warum nicht beides? Ich finde nicht, dass sich das von vorneherein ausschliesst.

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