VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Die Länderspielpause hat Löwen-Trainer Daniel Bierofka (39) womöglich auch dazu genutzt, um eine erste Bilanz des Drittliga-Aufsteigers zu ziehen. Auch wenn der TSV 1860 seit fünf Spielen auf einen Sieg wartet und inzwischen auf Rang 12 der Dritten Liga abgesackt ist, mahnt Bierofka das unruhige Umfeld an der Grünwalder Straße: “Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir sind kein Aufstiegskandidat, sondern ein Aufsteiger.” Diesen Satz hörte man von Bierofka zuletzt immer öfter, wobei auch er weiß: Die Löwen sind kein normaler Aufsteiger, sondern einer mit einem XXL-Potential. Das sind die Erkenntnisse aus dem Saison-Start (12 Spiele, drei Siege, fünf Remis, vier Niederlagen) - die db24-Übersicht:

Die große Hoffnung: Den Löwen wurden in keinem bisherigen Drittliga-Spiel die Grenzen aufgezeigt, im Gegenteil: Dass 1860 nur 13 Punkte auf dem Konto hat, liegt auch daran, dass die Löwen sich in den Schlussminuten teilweise recht naiv angestellt und immer wieder entscheidende Gegentore kassiert haben. “Nach 81 Minuten wären wir Tabellenführer”, erinnert Bierofka und hofft auf einen schnellen Lernprozess seiner Mannschaft. Beim 2:0-Sieg im Toto-Pokal-Viertelfinale in Buchbach konnten die Löwen endlich mal wieder die Null halten. Positiv auch: Offensiv sind die Löwen nach Münster (20 Tore) mit 18 Treffern die gefährlichste Mannschaft.

Die große Stärke: Die Standards funktionieren auch eine Klasse höher - vor allem das Zauberfüßchen von Phillipp Steinhart sorgt für große Torgefahr: Sieben der bislang 18 Saisontreffer wurden nach Ecken oder Freistößen vom ehemaligen Jugend-Nationalspieler vorbereitet. “Unsere Standards sind immer eine Waffe”, sagt Sportchef Günther Gorenzel. Beim 0:1 in Meppen hat Steinhart verletzungsbedingt gefehlt, was nicht zu übersehen war.

Die große Schwäche: Die Abschlussschwäche kostete dem TSV 1860 eine bessere Platzierung - hier sind die Hebel anzusetzen. Besonders eklatant war die Chancenverwertung in Osnabrück (2:2) und Unterhaching (1:1), aber auch beim 0:1 in Meppen, als Aufstiegsheld Sascha Mölders zwei Matchbälle vergab.

Die Einkaufspolitik: Die Qualität wurde im Sommer deutlich angehoben. Mit Adriano Grimaldi hat sich 1860 von Preußen Münster einen der begehrtesten Profis der Dritten Liga gesichert. Der charismatische Angreifer wurde auf Anhieb Fan-Liebling - und das nicht nur wegen seiner Tore und Vorlagen, sondern auch wegen seiner aufopferungsvollen Spielweise. Aber auch Quirin Moll (Braunschweig), Herbert Paul (Schweinfurt), Marius Willsch (Schweinfurt) und Simon Lorenz (Bochum) haben sofort eingeschlagen. Einzig der bundesliga-erfahrene Stefan Lex blieb bislang hinter den Erwartungen zurück, doch nach seinem feinen Tor im Toto-Pokal ist sich Bierofka sicher: “Der Lexi wird kommen - zu 100 Prozent.” Kristian Böhnlein, Alessandro Abruscia und Efkan Bekiroglu müssen sich ans Tempo gewöhnen. Die Darmstädter Leihgabe Romuald Lacazette braucht noch Spielpraxis, um wieder auf altes Niveau zu kommen.

Der Teamspirit: 31 Spieler werden im Kader des TSV 1860 aufgelistet, doch die Harmonie ist trotz des XXL-Aufgebots groß: Die Mannschaft präsentiert sich als verschworene Gemeinschaft. Am vergangenen Freitag gab’s vor der Kabine ein gemeinsames Frühstück. Auch sonst wird viel gemeinsam unternommen, was im heutigen Profi-Zeitalter eher eine Seltenheit ist.

Sascha Mölders: War der ehemalige Bundesliga-Kicker des FC Augsburg in der vergangenen Saison noch der Aufstiegsgarant (u.a. drei Tore in der Relegation gegen Saarbrücken), hat der 33-Jährige momentan kein Schussglück. Erst ein Tor ist ihm in dieser Spielzeit gelungen, beim 5:1 am 4. August gegen Lotte. “Wie Sascha vorne gearbeitet hat, war vorbildlich”, erklärte Bierofka nach dem 2:0 in Buchbach: “Man darf Stürmer nicht immer nur an Toren messen.” Was Bierofka Hoffnung macht: Mölders kommt in jedem Spiel zu Torchancen - und das ist keine Selbstverständlichkeit.

Die Torwart-Frage: Marco Hiller beweist in verletzungsbedingter Abwesenheit von Stammtorwart Hendrik Bonmann, dass man sich auf ihn verlassen kann. Im Eins-gegen-Eins und auf der Linie ist der 21-Jährige extraklasse, deutliche Schwächen zeigt Hiller allerdings im Spielaufbau und am Fuß. Zur Beruhigung des Löwen-Spiels trägt dies nicht bei. Gegen Braunschweig (Samstag, 14 Uhr) wird Hiller noch einmal im Löwen-Kasten stehen - und danach? Bonmann soll diese Woche wieder ins Training einsteigen.

db24 meint: Kann 1860 sein volles Potential ausschöpfen, wird die Mannschaft als Tabellenfünfter in die Winterpause gehen. Wichtig wird sein, dass Kapitän Felix Weber mit den Aufgaben wächst und der Mannschaft Stabilität verleiht. Auch der pfeilschnelle Nico Karger darf sich nicht zu viele Auszeiten nehmen.