VON OLIVER GRISS

Wie weit der TSV 1860 inzwischen vom großen Sport weg ist, beweist ein neues hypermodernes Bauprojekt direkt neben dem altehrwürdigen Olympiastadion. Während die Löwen nicht mal mehr ihr uriges Löwenstüberl haben, immer noch von einer Turnhalle für ihren Breitensport träumen und das Trainingsgelände an der Grünwalder Straße längst in die Jahre gekommen ist, werden die anderen großen Klubs der Millionen-Metropole von der Stadt München regelrecht hofiert: Der FC Bayern und Red Bull München bekommen am Olympiagelände eine Multifunktions-Arena für 11.000 (!) Besucher - die Kosten von rund 100 Millionen Euro übernimmt das Red Bull-Konzern. SAP fungiert als Namensgeber. Das neue Projekt soll die Heimat der Bayern-Basketballer sowie des deutschen Eishockey-Meisters EHC Red Bull München werden. So funktioniert Sport-Business im 21. Jahrhundert.

Und was machen die Retro-Löwen um Präsident Robert Reisinger? Sie verschlafen die Zukunft - sportlich und wirtschaftlich. Die e.V.-Granden träumen von einer Eigenständigkeit, einer Zukunft ohne Investoren - und hoffen, dass die Stadt München es auch mit ihnen einmal gut meint. Doch der Widerstand der Anwohner im Stadtteil Giesing ist so groß, dass es derzeit unrealistisch erscheint, dass das Grünwalder Stadion einen weiteren Umbau erfährt. Dass die Kultstätte selbst bei einer Kapazitätserhöhung von 15.000 auf 18.600 Besucher völlig unrentabel bleiben wird, scheint die aktuelle Führungsriege des TSV 1860 allerdings wenig zu beeindrucken.

An der Grünwalder Straße 114 fehlt weiterhin der Weitblick, der Plan und vor allem das Netzwerk, um auf die Marktentwicklungen zu reagieren. Die Gefahr wird durch dieses Verwalten immer größer, dass der TSV 1860 in der Wahrnehmung der Menschen immer unbedeutender wird und eine große deutsche Fußballmarke allmählich von der Bildfläche verschwindet.