Die Kurve der Politik: Sprechchöre für Präsident Reisinger, Rüffel für Geschäftsführer Gorenzel
- VON OLIVER GRISS UND CATHRIN MÜLLER (MIS)
- 01.04.2019 15:10
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VON OLIVER GRISS UND CATHRIN MÜLLER (MIS)
Als die rassige Partie in Braunschweig vorbei war, eilte Präsident Robert Reisinger die Treppen von der Haupttribüne hinunter, um in den Innenraum zu kommen. Der 55-Jährige klatschte nach dem ärgerlichen 1:1 die Spieler ab, unterhielt sich kurz mit Geschäftsführer Günther Gorenzel und stapfte dann anschließend mit verschränkten Armen vor den Gäste-Block. Es dauerte nicht lange - bis die Fans nicht die Mannschaft, sondern plötzlich mit “Reisinger, Reisinger”-Sprechchören den Präsidenten feierten. Kurz danach kam es zum sogenannten Scheich-Lied.
Die Kurve der Politik: Der Präsident bekommt Süßes, der Geschäftsführer Saures.
Was war passiert? Während der 90 Minuten von Braunschweig rollten die Ultras ein Plakat aus, auf dem zu lesen war: “Gorenzel, mach Deine Arbeit!” Günther Gorenzel, der vor einigen Wochen zum Geschäftsführer befördert wurde, ist in den letzten Wochen zur Zielscheibe der aktiven Fanszene geworden. Was die Fans stinkig macht: Der Österreicher hat zuletzt unmissverständlich klar gemacht, dass der von Präsident Robert Reisinger ausgerufene Konsolidierungskurs dem Profi-Fußball Probleme bereiten werde und man derzeit keinen “Handlungsspielraum” bei Spielertransfers habe. Außerdem fordert der Österreicher immer wieder die Fans auf, das Abbrennen von Pyrotechnik zu unterlassen. Gorenzel ist neben Daniel Bierofka der einzige im Verein, der nicht abtaucht und zu heiklen Themen Stellung bezieht. Das kommt in der Fanszene freilich nicht gut an.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Fans gegen Gorenzel stänkern. Im Fanmagazin “Brunnenmiller” schrieben die Fans in der Ausgabe vom beim 1:0-Heimsieg gegen Meppen: “Heulsusen-Mentalität bei der KGaA - Günther, jetzt reiß’Dich halt mal zam!” Und: “Das Dauer-Genörgel unseres Sportchefs hinsichtlich des eingeschlagenen Konsolidierungskurses. Die Mitgliederversammlung hat mit überwältigender Mehrheitdes aktuellen Kurs gewählt und auch ein Herr Gorenzel sollte sich daran halten und nicht in jedes Mikrofon und jede Kamera, die ihm in die Quere kommt, sein Leid posaunen.” Vor der Winterpause wurde auch Trainer Daniel Bierofka im “Brunnenmiller” angegangen.
Das Plakat “Mach deine Arbeit” hat beim TSV 1860 schon Tradition. Auch Reisinger bekam genau diese Wortwahl zu Regionalliga-Zeiten geschenkt, als sich der 55-jährige Unternehmensberater traute, die Ultras für das Zündeln bei der 2:3-Pleite bei der Bundesliga-Reserve des FC Augsburg zu kritisieren. Seitdem hat man von Reisinger nie wieder was gehört in diese Richtung.
Wollen die Ultras auch Gorenzel zum Schweigen bringen?