"Wir können und dürfen nicht mehr kreditfinanziert ins Risiko gehen": Reisinger wehrt sich
- VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)
- 20.05.2019 16:00
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VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)
Der Druck auf das 1860-Präsidium wächst immer mehr. Die Vereinsseite reagiert jetzt darauf. In einem ausführlichen Statement erklärt Ober-Löwe Robert Reisinger seine Sicht der Dinge, auch, dass der “Konsolidierungskurs” keine Erfindung des Präsidiums gewesen sei. Dass intern von einem “taktischen Fehler”, wie zuletzt laut wurde, gesprochen wird, davon ist in diesem Schreiben nichts zu lesen. Die Mitteilung im Wortlaut:
Verehrte Mitglieder, liebe Löwinnen und Löwen,
wir haben den Eindruck, dass in der öffentlichen Diskussion rund um den Profifußball und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA derzeit bewusst oder unbewusst in vielen Fällen Ursache und Wirkung vertauscht werden.
Nicht das Präsidium schränkt die Profifußball-Gesellschaft in ihrem Spielraum ein, sondern das Haushaltsergebnis vergangener Jahre ist dafür verantwortlich. Es bestehen erhebliche Altlasten, die nicht abgeschüttelt werden können. Mit anderen Worten: Der TSV 1860 München bezahlt heute die Rechnung für sein Handeln in der Vergangenheit.
Die gerne als verordneter Konsolidierungskurs beschriebene Verpflichtung zur Haushaltsdisziplin ist keine neue Erfindung des Präsidiums, die plötzlich und unerwartet im vergangenen Winter auf die Tagesordnung der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA gekommen wäre. Alle Vorgaben ergeben sich zwingend aus der Fortführungsprognose für die Profifußball-Gesellschaft.
Zur Erinnerung: Nach dem Absturz in die Regionalliga im Sommer 2017 bedurfte es großer gemeinsamer Anstrengungen aller Beteiligten – Gesellschafter, Sponsoren und Gläubiger – um die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA überhaupt am Leben zu erhalten und ihr zu einem Neustart zu verhelfen. Das scheinen einige bereits vergessen zu haben.
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Die Haushaltsplanung unter der Leitung des Sanierungs-, Restrukturierungs- und Insolvenzspezialist Markus Fauser schloss einen möglichen Aufstieg in die Dritte Liga mit ein. Das sportliche Budget dafür: rund 3 Millionen Euro. Zur Sicherstellung der Liquidität des Unternehmens für den Planungszeitraum hat unser Hauptsponsor Die Bayerische damals ein Darlehen in Höhe von 2 Millionen Euro gewährt. Diese Mittel stehen aber selbstredend nicht für Spielerverpflichtungen zur freien Disposition. Sie sind ähnlich einem Bankkontokorrent als Überziehungslinie für den laufenden Geschäftsbetrieb zu verstehen.
Als wir als Gesellschaftervertreter im Spätherbst vergangenen Jahres erkennen mussten, dass zum einen die Auszahlung des von unserem Mitgesellschafter nach dem Gewinn der Meisterschaft zugesagten zusätzlichen Budgets sich ziehen würde und zum anderen aufgrund des hohen Erwartungsdrucks offenbar erneut die Haushaltsdisziplin der Gesellschaft verletzt wurde, haben wir Anfang Dezember der Geschäftsführung die Weisung erteilt, Planungen für den Profifußball in Zukunft nur noch mit nachgewiesenen und tatsächlich eingegangenen Mitteln zu führen.
Jeder im Präsidium und im Verein will zurück in die Zweite Liga – das steht außer Frage. Nur können wir dieses Vorhaben nicht unter Missachtung wirtschaftlicher Vernunft angehen. Eine weitere Verschuldung der Profifußball-Gesellschaft kommt aus Sicht des Vereins nicht in Frage. Entweder können die erforderlichen Mittel aus Sponsoring, TV-Geldern, Transfers, Ticketing oder Gesellschaftermittel erlöst werden oder sie sind eben nicht vorhanden. Wir können und dürfen nicht mehr kreditfinanziert ins Risiko gehen. Die prekäre wirtschaftliche Situation des Unternehmens lässt uns keine andere Wahl.
Die Vorstellung, man müsse jetzt ein Vabanquespiel eingehen, um einen schnellen Aufstieg herbeizuführen und könne anschließend in der Zweiten Liga wirtschaftlich gesunden, widerspricht jeder Lebenserfahrung. Zur Erinnerung: Auch während der Jahre in der Zweiten Liga hat der Profifußball beim TSV 1860 München Jahr für Jahr tiefrote Zahlen geschrieben. Das gipfelte in der Abstiegssaison 2016/2017, als am Ende ein Saldo von minus 22 Millionen Euro zu Buche stand. Was jetzt nicht in der Praxis eingeübt wird, hat auch eine Liga höher keine Geltung. Wir bestehen auf einem anderen Wirtschaften beim TSV 1860 München.
Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen der sportlichen Leitung und dem Präsidium ergeben sich aus einem verschiedenen Betrachtungshorizont. Das Präsidium kann nicht – wie ein Trainer – immer nur die nächste Saison im Blick haben, sondern muss perspektivisch auf Jahre hinaus die Entwicklungsmöglichkeiten der Profifußball-Gesellschaft im Auge behalten. Manches, was kurzfristig wie eine praktische Lösung wirken mag, verbaut langfristig bessere Optionen.
Viele Sponsoren und Partner wie auch unsere Mitglieder engagieren sich vorbildlich für das gemeinsame Ziel Aufstieg. Allen voran unser Hauptsponsor Die Bayerische. Hier gilt es die Kräfte zu bündeln und damit die Chancen und das Risiko im Profifußball auf mehr Schultern zu verteilen. Dann kann man gemeinsam erfolgreich sein. Das schließt ausdrücklich unseren Mitgesellschafter ein. Auch HAM International Limited kann sich für vergleichsweise kleines Geld mit einem Sponsoring am gewünschten Erfolg des TSV 1860 München im Profifußball beteiligen. Das ist aus unserer Sicht der Weg, den der TSV 1860 München beschreiten muss. Alles andere würde nur zu einer Wiederholung bereits einmal gemachter Fehler führen.
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