VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)

Eigentlich könnte man sich mit Dennis Erdmann (28) stundenlang unterhalten. Der 1860-Neuzugang hatte beim Pressegespräch im Trainingslager in Windischgarsten viel zu erzählen - am beeindruckendsten: Sein steiniger Weg von Blau-Weiß Kerpen (10. Liga) bis in die Zweite Liga. “”Mit 18, 19 habe ich noch Kreisliga B gespielt. Das ist zehnte Liga. Im Rhein-Erftkreis, wo ich herkomme, ist nur noch die Kreisliga C schlechter”, erklärte der Abwehrspieler auf db24-Nachfrage: “Hätte ich bei Schalke unter Huub Stevens und Jens Keller auch noch einen Bundesliga-Einsatz bekommen, dann hätte ich bis auf Bezirksliga alles durchgehabt…”

Erdmann hält nicht viel von den verhätschelten NLZ-Spielern heutzutage, die in ein System gepresst werden und funktionieren müssen. Deswegen sagt er: “Ich fand den Weg nicht schlecht. Ich würde meinem Sohn sagen: Mach’s so und gehe nicht sofort in ein NLZ. Ich würde meinen Sohn nie in ein NLZ schicken”, erklärte der Verteidiger, der etwas andere Fußball-Profi: “Im NLZ wird alles vom Ich abtrainiert.” Erdmann ist kein Ja-Sager. Kein Playstation-Fan. Und keiner, der das Klischee bedient. Erdmann ist einfach herrlich normal. Außerdem sprach Erdmann, der beim TSV 1860 das Potential hat, ähnlich kultig wie Abwehrgott Thomas Miller zu werden, über:

seine ersten Tagen bei den Löwen: “Ich bin ein offener Typ, die Jungs sind ja alle noch relativ jung - bis auf Sascha Mölders. Im Fußball geht das alles sehr fix. Es ist ja nicht so, dass hier zehn Weiber da sind. Jeder will das Gleiche. Ich bin mit Marco Hiller im Zimmer. Ich habe ihn schon gut erzogen. Wir haben ja in unserem Hotel-Zimmer zwei Zimmer. Ich habe ihm gesagt, dass er hinter die Schiebetür gehen soll, dass ich schlafen kann…

seine Zurückhaltung im Training: Ich mache im Training auch kein La Paloma, aber Wettkampf ist was anderes. Sonst hat Sechzig ja bald keine Stürmer mehr. Das Sportliche braucht noch seine Zeit, damit ich verstehe, wie die Abläufe sind. Aber ich bin sowieso ein Wettkampftyp. Ich werde am ersten Spieltag da sein. Ich will nicht einer von vielen sein, sondern der, der vorne wegmarschiert.”

die Arbeitsweise von Daniel Bierofka: “Er macht das, was er mir versprochen hat. Er brennt! Das ist gut. Er ist immer am pushen. Das brauchen wir, weil wir relativ wenig Erfahrung im Kader haben. Da ist es wichtig, dass nicht nur die Mannschaft auf dem Platz lebt, sondern auch der Trainer von draußen. Es gibt Trainer, die schreien nur blöd herum, bei Daniel Bierofka hat alles Hand und Fuß.”

sein Image als Raubein: “Vor vier Jahren hatte ich mal im Spiel gegen Großaspach nach sechs Minuten Rot. Glatt Rot. Ich kam zu spät. Das war in meiner Rebell-Zeit Rostock. Ich sehe den Gegenspieler als Feind, der eleminiert werden muss.”

den Liga-Start gegen Münster und Braunschweig: “Mir gefällt das Programm. Ich weiß jetzt nicht, wie sich diese Mannschaften vorbereiten. Braunschweig hat sich personell richtig gut verstärkt. Ich glaube, die wollen dieses Jahr oben mitspielen. Auch Münster hat einen neuen Trainer. Wir spielen gegen Münster zuhause, wir müssen schon an dem Tag unser Limit hochlegen, weil Münster kommt auch nicht nach München und wird schauen, was an diesem Abend passiert. Die wollen auch das Eröffnungsspiel gewinnen - die ganze Liga schaut auf einen…”

das Niveau des Löwen-Kaders: “Hat eine gute Qualität. Es ist nicht so, dass wir in Magdeburg den Fußball erfunden haben. So ist es ja nicht. Die Jungs sind alle unfassbar gewillt, das sind alles gute Einzelspieler, die geführt werden müssen vom Trainerteam und den erfahrenen Spielern. Sie haben unfassbar Potential. Das ist das Entscheidende, dass sie noch nicht an ihr Limit stoßen und alle 33 Jahre alt sind.”

die Unkenrufe, dass 1860 Abstiegskandidat Nummer 1 sei: “Den müsst ihr mir mal zeigen, der das sagt. Die Leute sollen sich ihr eigenes Bild machen, wenn wir in die Saison starten. Ich will keine Parolen ausrufen, aber ich will als Fußballer alle meine Spiele gewinnen. Du musst immer das Maximum erreichen wollen, dann gibt es nach oben kein Limit.”

den Grund für seinen Wechsel zu den Löwen: “Mir bedeuten Emotionen mehr, als wenn ich woanders 10.000 Euro im Monat mehr verdienen kann. Ich brauch einen Verein, wo ich den Fußball spielen kann, den ich in mir habe. Ich habe das schonmal gesagt: Als Fußballer bekommst du zum Abschied einen Blumenstrauß. Das interessiert mich alles nicht. Wichtiger ist für mich, was ich hinterlassen habe. Und das war in den letzten Jahren nicht so schlecht. Ich habe bei 1860 auf meinen Bauch gehört. Ich wollte in meinem Fußballerleben nicht in der Versenkung verschwinden…”