VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Die SpVgg Unterhaching ist in der Dritten Liga die Mannschaft der Stunde. Es läuft alles nach Plan, der Klub von Präsident Manni Schwabl grüßt von der Tabellenspitze. Das Los im Toto-Pokal wollte es so, dass sich der TSV 1860 und die Vorstädter im vorweggenommenen Endspiel nun im Viertelfinale (heute, 19.30 Uhr, dieblaue24-Liveticker) gegenüber stehen. Das exklusive db24-Interview mit Erfolgstrainer Claus Schromm, dem langjährigen Ausbilder des TSV 1860.

db24: Herr Schromm, ganz provokant gefragt: Haching ist Erster! Lügt die Tabelle?

CLAUS SCHROMM: Ja, es gab heuer bereits fünf verschiedene Tabellenführer. Wir haben es im letzten Jahr einmal geschafft, Erster zu sein. Das war am 6. Spieltag. Ich glaube, wenn man einen guten Start in dieser Dritten Liga hat - und den hatten wir, dann ist es nicht so schwierig, auch mal Spitzenreiter zu sein. Die hohe Kunst ist, vorne zu bleiben. Und man ist auch immer irgendwie von den anderen Ergebnissen abhängig (lacht).

Ab wann ist für Sie die Tabelle aussagekräftig?

Wir haben jetzt etwas mehr als ein Viertel gespielt, wenn ein Drittel der Saison vorbei ist, dann wird es stabiler. Dann werden die Abstände zwischen den Blöcken auch größer. Am Ende ist eines entscheidend, im März und April vorne dabei zu sein. Klar: Wir wollen uns bis dahin oben fest gebissen haben.

Wie würden Sie einem nicht fußball-affinen Menschen den Fußballklub SpVgg Unterhaching erklären?

Wir stehen für Kontinuität. Wir haben im Vergleich zum Aufstiegsjahr 2017 noch viele Spieler aus dem damaligen Kader dabei. Das steht für die ganze Geschichte, dass die Hauptprotagonisten in der Mannschaft und außerhalb immer noch dabei sind. Wir versuchen jedes Jahr, den Kader zu optimieren. Wenn wir ein internes 11:11 spielen, sucht das seinesgleichen - so eine Qualität hatten wir wahrscheinlich noch nie. Und auch alles außenrum: Plätze, Equipment, Manpower, Infrastruktur - und wir können ein Training mit der Kamera oder auch mal mit der Drohne aufnehmen.

Sie filmen die Arbeit auf dem Platz mit einer Drohne?

Ja, wenn wir glauben, dass das sinnvoll ist, vor allem wenn es um taktische Inhalte geht. Wir schauen gerne mal von oben drauf - das ist für uns als Trainer sehr spannend, neue Perspektiven zu gewinnen.

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Sie hatten vorhin von Kontinuität gesprochen, die viele Vereine nicht kennen: Ein Fehler?

Absolut! Wir hatten letztes Jahr 13 Trainer-Wechsel - allein in der Dritten Liga. Wir haben jetzt schon wieder fünf Trainer-Entlassungen und das Anfang Oktober. Deswegen freut es mich, dass ich, als es in der Vorsaison nicht lief, vom Verein nicht infrage gestellt wurde. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe immer gesagt: In guten wie in schlechten Zeiten. Wenn’s gut läuft, dann klingelt auch mal mein Telefon - und wenn’s schlecht läuft, klingelt es bei Manni Schwabl: “Präse, du musst den Trainer rauswerfen!” Wenn man auf beiden Seiten dagegen immun ist, dann zeigt das, dass man eine gemeinsame Mission hat. Diesen Rückhalt in Unterhaching zu spüren, ist wunderbar. Wir sind in der Summe in Haching wirklich gut aufgestellt.

Das Zuschauer-Interesse in Unterhaching ist trotz des Aufschwungs weiterhin äußerst gering: Würden Sie sich im Schatten der Roten und Blauen nicht etwas mehr Begeisterung im Sportpark wünschen?

Wir sehen das als Prozess - ich sage: Wir haben beim Thema Zuschauer in der Vergangenheit nicht immer alles richtig gemacht.

Was meinen Sie damit?

Es bringt nicht so viel, sich die Vergangenheit anzuschauen. Jetzt entwickelt sich etwas: Die umliegenden Vereine honorieren und schätzen unsere Arbeit. Wir müssen uns jetzt eine neue Fangeneration schaffen. Aber wenn ich meine Tochter höre, sie macht ein freiwilliges soziales Jahr in der Grundschule Unterhaching, dann hört man: Ja, Haching ist in, man ist stolz, das Trikot der SpVgg Unterhaching zu tragen. Früher war das anders. Jetzt wird’s aber schon toller, mit dem Trikot der Spielvereinigung in die Schule zu kommen. Und die, die das toll finden, müssen erwachsen werden und dann als Eltern dann irgendwann dieses Gen weitergeben. Wichtig wird sein, dass wir uns nicht verändern, sondern bodenständig und fannah bleiben.

Wen oder was würden Sie gerne von der SpVgg Unterhaching bei 1860 haben?

Umfrage endete am 24.10.2019 21:00 Uhr
Präsident Manni Schwabl
73% (2105)
Gar nix!
12% (337)
Sascha Bigalke
5% (146)
Dominik Stahl
3% (94)
Trainer Claus Schromm
3% (79)
Sportpark Unterhaching
2% (68)
Stephan Hain
2% (57)

Teilnehmer: 2886

Wie nehmen Sie den Börsengang der SpVgg Unterhaching wahr?

Natürlich ist die Haching-Aktie auch Thema in der Kabine. Der Börsengang war für uns essentiell, endlich mal Eigenkapital zu haben. Früher war’s so: Entweder gar kein Geld auf dem Konto oder teuer finanziertes Fremdkapital. Das ist jetzt komplett neu. Es freut mich, dass sich so viele für unsere Aktie begeistern. Ich habe aber keine gezeichnet, mein Investment läuft seit 12 Jahren (lacht).

Am Freitag geht’s in die Höhle des Löwen, ins Grünwalder Stadion: 1860 gegen Haching - wie ernst nehmen Sie dieses Toto-Pokal-Viertelfinale?

Der Pokal hängt bei uns im Haus unglaublich hoch. Wir wissen, welche Möglichkeiten wir über den Toto-Pokal haben, Geld im DFB-Pokal zu generieren. Wir wissen aber auch, wie schwierig es ist, sich durchzusetzen. Für uns ist das Spiel gegen 1860 eine große Geschichte: Derby, Flutlichtspiel, Grünwalder Stadion. Es wird geil! Wenn wir in diesem Wettbewerb ausscheiden, dann ist es zwei, drei Tage schwierig mit unserem Präsidenten, weil die Option Finanzen über diesen Ast einfach wegfällt…

Die Derby-Bilanz seit dem Wiederaufstieg des TSV 1860 spricht für die Löwen: Das Hinspiel in der Vorsaison endete 1:1, das Rückspiel auf Giesings Höhen gewannen die Löwen knapp mit 1:0.

Als im ersten Spiel in der 20. Minute die Löwen-Fans laut wurden habe ich schon Gänsehaut bekommen - und ich glaube auch, der ein oder andere Spieler. Uns ist dann trotzdem der glückliche Ausgleich gelungen. Im Grünwalder haben wir verloren. Ich hoffe, dass wir aus diesen beiden Derbys gelernt haben. Wir wissen, dass wir dieses Mal drei Chancen haben. Einmal wollen wir mindestens als Sieger vom Platz gehen und dann kann auch unser Präsident etwas entspannter schlafen.

Sie arbeiteten selbst sechs Jahre beim TSV 1860 im NLZ, zu einer Zeit, als die Nachwuchsarbeit noch zu den besten in Deutschland gehörte. Sie haben vor einem Jahr in einem Interview gesagt: “Ich kam als Fan - und am Ende war ich keiner mehr…”

Wenn man sieht, welche A-Jugend-Spieler wir hatten: Christian Träsch, Stefan Aigner, Anton Fink, die Benders, Florian Jungwirth, Matthias Wittek, Philipp Hosiner oder Julian Baumgartlinger. Ich habe jetzt bestimmt 10 Spieler vergessen. Im Nachgang wird dir das erst alles bewusst. Einmal gewannen wir ein Turnier am Gardasee - danach wurden wir nicht mehr eingeladen. Da hatte Stefan Aigner ein brutales Halbfinale gegen Juventus Turin gespielt. Sie wollten ihn gleich verpflichten. Ich habe kennenlernen dürfen, wie ein gutes NLZ funktionieren kann. Ernst Tanner und Wolfgang Hauner haben 24/7 für 1860 gearbeitet - das hat mich geprägt.

Und warum kam’s zur Trennung?

Wenn man einmal Löwe ist, wird man immer irgendwie ein Blauer bleiben. 2009 war dann ein großer Umbruch bei Sechzig: Zeitgleich hatte sich erst Ernst Tanner verabschiedet und dann noch neun Jugendtrainer. Auch ich war einer davon. Ernst Tanner hatte mir Monate vorher signalisiert: “Claus, ich bin bald weg! Du kannst bleiben oder gehen!” Dann habe ich mit dem damaligen Geschäftsführer Dr. Markus Kern gesprochen. Das Gespräch war nicht so optimistisch bezüglich der Zukunftsplanung - und dann kam das Angebot des Verbandes. Das hatte mich gereizt und ich habe mich für den BFV entschieden.

Wie sehen Sie Sechzig heute?

Ich finde, dass 1860 durch die letzten Verpflichtungen gut aufgestellt ist. Sie haben einen richtig guten Kader. Die haben etwa den Markus Ziereis auf der Bank, den Stefan Lex, den wir ja auch mal wollten. Da ist Qualität in der Breite da. Der Biero macht das schon. Ohne ihn wäre es wesentlich schwerer. Ich weiß nicht, ob es 1860 dann in der Dritten Liga gegeben hätte. Irgendwie sind wir ähnlich verrückt, aber doch so verschieden. Wenn bei mir irgendein Verein anruft, dann sag ich: “Interessiert mich nicht!” Für mich gibt es nichts anderes als Haching - und dem Biero geht es wahrscheinlich ähnlich, sollte bei ihm das Handy klingeln.

Welchen Löwen-Spieler würden Sie gerne in Ihrem Kader haben?

Einen? Es gibt eine Hand voll. Einen, den ich gerne hätte, ist Mister Gegenpressing - Quirin Moll. Leider ist er verletzt.

Das Fußball-Geschäft ist brutal, das Karussell dreht sich immer schneller: Was tun Sie, um einen klaren Blick zu behalten?

In der B-Jugend-Bundesliga sind im letzten Jahr sechs Trainer gewechselt worden. Von diesem wahnsinnigen “Geschäft” wollen wir uns in Unterhaching distanzieren. Das Modell Freiburg gefällt uns. Das ist traumhaft. Ich finde Christian Streich super! Wir haben uns xmal duelliert. Er lebt den Verein und verändert sich dabei nicht. Das ist die große Kunst.

Wie bewerten Sie mittlerweile das Niveau in der Dritten Liga?

Es gibt immer mehr Highlights, immer mehr Traditionsvereine. Doch ich frage mich: Ist die Dritte Liga nicht viel zu gut, für das, wofür sie eigentlich da ist? Eigentlich sollte sie eine Ausbildungsliga sein - das ist sie aber nicht. Es spielen viel zu wenige Talente. Zwischen 2006 und jetzt ist die Spielzeit der Talente deutlich zurückgegangen. Das ist für mich keine große Überraschung, weil die Dritte Liga zwar Jahr für Jahr besser wird, aber kaum mehr junge Spieler zum Einsatz kommen.Es gibt aber auch Ausnahmen wie z.B. Nico Mantl bei uns im Tor. Er ist 19. Da sagen schon alle zu uns: “Wie geht denn das?”

Haben Sie einen Vorschlag, wie man die Jugendförderung in Deutschland wieder mehr forcieren könnte?

Ja, es gibt ja diese U23-Regel in der 3. Liga die sagt: Es müssen vier Spieler unter 23 Jahren auf dem Spielbericht stehen. Ich würde es gut finden, wenn der DFB eine Regel beschließen würde, dass es deutlich mehr Talente unter 23 sein müssten. Wir wären dafür, dass man einen sogenannten Fördertopf gründet, in dem Vereine für die Spielminuten ihrer eigenen Talente extra bezahlt werden – angelehnt an das Modell in Österreich. Jedem Verein bliebe dann selbst überlassen, für welchen Weg er sich entscheidet.

Da werden Traditionsklubs wie 1860, Lautern oder Magdeburg möglicherweise etwas dagegen haben.

Warum soll ein Verein wie 1860 nicht mit drei, vier Talenten spielen?

Weil der Erwartungsdruck zu groß ist?

Das System der 3. Liga ist todkrank und deswegen ist der Druck für die Vereine so groß. Es gibt 1,2 Millionen für jeden Klub aus dem TV-Topf. Das ist die Grundversorgung. Das Doppelte bräuchte man, um über die Runden zu kommen. Wir brauchen endlich wieder den Weitblick im deutschen Fußball. Dieses Konzept mit dem Fördertopf haben wir vor einigen Jahren an den DFB geschickt. Wir müssen wieder mehr deutsche Talente wieder in die 1. und 2. Liga bringen. Ich weiß, dass sich unser Präsident dafür einsetzt.