VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Zurecht fragen sich viele Löwen-Fans: Was wäre eigentlich gewesen, wenn die über zwei Millionen Euro Sondereffekte für die ehemaligen 1860-Talente Julian Weigl und Marin Pongracic nicht gekommen wären? Antworten bekommt man vom TSV 1860 dazu nicht. Jetzt schreibt das Präsidium um Robert Reisinger im Vereinsheft unter dem Titel “Restrukturierung macht Fortschritte” an die Miglieder:

Das Präsidium repräsentiert den Verein als Gesellschafter in der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA. Sie als Vereinsmitglieder haben uns dieses Mandat erteilt. Der Profifußball bei den Löwen ist ein Projekt, das sich außerhalb der unmittelbaren Zuständigkeit des e.V. abspielt, von dafür angestellten Fachleuten gesteuert wird und seinen eigenen wirtschaftlichen Regeln folgt. Das Präsidium ist nicht in das Tagesgeschäft der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA involviert. Wir haben aber eine politische Verantwortung für das Unternehmen Profifußball, die wir sehr ernst nehmen.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren,seit dem wirtschaftlichen und sportlichen Absturz des Un- ternehmens im Sommer 2017, hat die Profi-Fußballgesellschaft einen organisatorischen und kulturellen Wandel erfahren. Diesen Wandel haben wir als Gesellschafter eingefordert und unterstützt. Um das Unternehmen zu restrukturieren und zu sanieren, beschäftigen sich die fachlich Verantwortlichen in der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA mit der Veränderung von Kostenstrukturen und Geschäftsprozessen, neuen Partnerschaften und Kooperationen und mit alternativen Finanzierungswegen für den Profifußball.

Eine gesunde Struktur mit eines Tages möglicherweise auch mehreren Gesellschaftern und eine enge Verzahnung von Nachwuchsausbildung und Profisport ist das Ziel der Restrukturierung. Der erste Schritt ist die bestehende Gesellschaft wirtschaftlich nachhaltig zu sanieren. Die Entschuldung der KGaA hat oberste Priorität. Dieser Weg ist steinig und schwer, aber angesichts der Krise des Unternehmens alter- nativlos. Die Restrukturierung ist eine Chance für den TSV 1860 München. Wir sind im Präsidium der festen Überzeugung: erst wenn eine vernünftige wirtschaftliche Basis im Unternehmen besteht, die Gesellschaft wirksam entschuldet ist, wird dauerhafter sportlicher Erfolg in allen Bereichen wahrscheinlicher.

Wie groß ist Ihr Vertrauen noch in die aktuelle 1860-Vereinsführung?

Umfrage endete am 04.03.2020 09:00 Uhr
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15% (786)
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Teilnehmer: 5287

Um die Profi-Fußballgesellschaft zu entlasten, hat der Verein das Nachwuchsleistungszentrum ver- stärkt in seine Obhut genommen. Die Stelle des sportlichen Leiters, Manfred Paula, ist seit dieser Saison in der Fußballabteilung angesiedelt. Das ist möglich, weil die Mitglieder der Fußballabteilung und Sponsoren wie die Stadtsparkasse München, die Bayerische, die Unternehmer für Sechzig und die Team-Förderer der einzelnen Jugendmannschaften sich stark für die Junglöwen engagieren. Dieses Engagement trägt Früchte. Wir sind optimistisch, im Sommer mit den U17-Junioren wieder in der Bundesliga zu spielen. ImJahr darauf soll der Wiederaufstieg auch mit den U19-Junioren gelingen.

Zur Restrukturierung gehören eine strategisch angelegte Nachwuchsarbeit, die weiterhin eigene junge Spieler auf hohem Niveau entwickelt, die Durchlässigkeit in den Lizenzspielerbereich als ein Wesensmerkmal des TSV 1860 München und eine vorausschauende Vertragsgestaltung, die im Wechselfall Transfereinnahmen generiert. Die Fachverantwortlichen im Nachwuchs- und im Profibereich des TSV 1860 München arbeiten akribisch daran. Mit der hohen Zahl seiner ausgebildeten Talente zählt das Nachwuchs- leistungszentrum des TSV 1860 München immer noch zu den besten Adressen in Deutschland.

Das aktive und offensive Spielsystem ist für Spieler wie Zuschauer reizvoll

Im Kader der Profimannschaft stehen aktuell mehr Eigengewächse als in jedem anderen Klub in Deutschland. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Michael Köllner und sein Trainer-Team verleihen der Mannschaft wertvolle Impulse. Die Spieler schöpfen ihr Potential aus. Das aktive und offensive Spielsystem ist für Spieler wie Zuschauer reizvoll. Köllners positive Ausstrahlung auf Mitarbeiter und Mannschaft hilft dem TSV 1860 München. So wollen wir unseren Klub repräsentiert sehen. Zudem ist der Trainer erfahren genug, sich nicht für machtpolitische Spiele, die mit dem Sport nichts zu tun haben, instrumentalisieren lassen. Von großem Vorteil ist, dass Köllner im November eine intakte Mannschaft übernehmen durfte. Das ist das Verdienst seines Vorgängers. Daniel Bierofka leistete auf sportlichem Gebiet anerkanntermaßen gute Arbeit.

Grünwalder Stadion? Die Hälfte der Zweitligaklubs spielt in Stadien mit geringerer Kapazität

War in der Vergangenheit das Verhältnis zwischen dem TSV 1860 München und der Stadtverwaltung und Stadtspitze ein bestenfalls von gegenseitiger Nichtbeachtung geprägtes, hat sich das seit dem Sommer 2017 verändert. Das Präsidium und das Management pflegen gute Kontakte zur Stadt München. Der Verein wird als Gesprächspartner wieder ernst genommen. Das vom Oberbürgermeister angeregte und von der Stadt beauftragte Gutachten zu einem möglichen Ausbau des Grünwalder Stadions für den Spielbetrieb in der Zweiten (und Ersten) Bundesliga, wäre vor nicht allzu langer Zeit noch politisch undenkbar gewesen. Die Hälfte der aktuellen Zweitligaklubs spielt in Stadien mit geringerer Kapazität.

Wichtig ist ein funktionsfähiger VIP- und Business-Bereich. Sollte eines Tages für die Löwen die Erste Bundesliga sportlich wieder dauerhaft ein Thema sein – und das wünschen wir uns alle –, ist der Spielort neu zu bewerten. Beim TSV 1860 München muss realitätsnah und in vernünftigen Zeiträumen gedacht werden. Auf der langen Liste von Klubs in Deutschland, die sich an einem Stadionneubauprojekt finanziell verhoben haben, steht der TSV 1860 ganz oben. Die Löwen gehören nach München-Giesing. Eine unbedachte Versetzung in die Peripherie würden das Herz und die Seele dieses Klubs zerstören. Dass die Stadt München dem TSV 1860 mit der Ertüchtigung des Grünwalder Stadions eine Perspektive bietet, begrüßen wir ausdrücklich.

Was in den Medien gerne als vermeintliche Unklarheiten und Streitigkeiten zwischen den Ge- sellschaftern dargestellt wird, beruht letztlich auf unterschiedlichen strategischen Interessen. Wir versuchen als Gesellschafter die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA wirtschaftlich zu stabilisieren und die Einnahmen und Ausgaben ligaunabhängig unter Kontrolle zu behalten. Wir wünschen uns, die Berichterstattung über die unterschiedliche Haltung der Gesellschafter zu Sachfragen würde vermehrt entlang von Inhalten geführt. Als Präsidium des TSV 1860 München kommunizieren wir unsere Position klar und verständlich. Sie finden dazu auf tsv1860.org zahlreiche Veröffentlichungen für unsere Mitglieder.

Niemals würden wir Fans, die anderer Ansicht sind, nahelegen, den Verein zu verlassen

Die aggressive Personalisierung des Konflikts, losgelöst von Inhalten, wird der Sache nicht gerecht. Sie schafft ein Klima, das eine sachliche Diskussion verunmöglicht. Man kann und darf verschiedener Ansicht sein, wie die Profi-Fußballgesellschaft zu führen ist. Es gibt Befürworter eines schuldenbasierten Investitionskurses und es gibt Verfechter dessen, was wir Restrukturierung nennen. Beide Haltungen sind aus ihrer jeweiligen Sicht heraus legitim und es finden sich Argumente dafür und dagegen. Diese Sachargumente kommen jedoch in den Medien zu kurz. Bei zahlreichen Fanclubveranstaltungen stellen wir uns persönlich allen Fragen und werben für Unterstützung. Niemals würden wir jedoch Mitgliedern und Fans, die anderer Ansicht sind, nahelegen, den Verein zu verlassen. Der TSV 1860 München braucht alle Löwinnen und Löwen.