Das Lorant-Interview: "Zwei Derby-Siege in einer Saison? Das hat nicht mal Max Merkel geschafft!"
- VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (Foto)
- 15.04.2020 10:59
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VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)
Werner Lorant (71) ist eine Legende beim TSV 1860. Er hat die Löwen von der Bayernliga bis in die Champions League-Qualifikation geführt. In der Corona-Krise vertreibt sich der Kult-Trainer die Zeit mit zweimal täglich Gassigehen am Waginger See: “Da komme ich auf zehn Kilometer pro Tag. Aber das kann den Fußball leider auch nicht ersetzen.” Das db24-Interview:
db24: Herr Lorant, heute jährt sich zum 20mal ein besonderer Tag im Löwen-Leben. Wissen Sie, worauf wir anspielen?
WERNER LORANT: Nein!
Am 15. April 2000 besiegte der TSV 1860 zum zweiten Mal innerhalb einer Saison die großen Bayern - mit Ihnen als Trainer…
(überlegt): Wow, wie die Zeit vergeht. Zwei Derbys gegen Bayern in einer Saison zu gewinnen, das hat nicht mal Max Merkel bei 1860 geschafft. Für den Verein, aber vor allem für die Fans war das das Größte, was man sich vorstellen kann. Wir hatten damals eine großartige Mannschaft mit tollen Kerlen. Da hat einfach alles gepasst. Thomas Häßler, Martin Max - das waren Spieler, die uns vorher bei 1860 keiner zugetraut hatte.
Können Sie sich noch an die Party nach dem Derby-Triumph erinnern?
Schauen Sie: Das ist 20 Jahre her. Was ich aber noch weiß, ich war auch ein bisschen beim Feiern in der Stadt. Ein bis zwei Bier hatte ich mir schon gegönnt (lacht) - und am nächsten Tag bin ich durch die Säbener Straße gefahren. Die haben alle ein bisschen traurig aus der Wäsche geschaut. Doch viel schlimmer ist für mich: Wo spielt 1860 heute?
Anderthalb Jahre später mussten Sie im Oktober 2001 nach einem 1:5 gegen Bayern gehen. Ein Fehler?
Natürlich! Schauen Sie, was danach mit 1860 passiert ist. Es war Wildmosers größter Fehler, mich zu entlassen. Er hat sich zu viel in die Mannschaft eingemischt, das hätte er nicht tun dürfen. Aber Wildmoser war halt eitler Mensch, du bist nicht an ihn rangekommen. Ich finde es schade, dass wir uns nie ausgesprochen haben. Was ich festhalten will: Er war trotzdem der größte Löwen-Präsident aller Zeiten. Ich denke oft an Wildmoser. Er war ein herzensguter Mensch, der immer den Erfolg wollte.
Lassen Sie uns über die Corona-Krise sprechen. In der Dritten Liga gibt’s unterschiedliche Meinungen über die Fortsetzung des Spielbetriebs. Wie würden Sie verfahren?
Ich halte nichts von Geisterspielen - und im Moment muss man davon ausgehen, dass zumindest in diesem Jahr ohne Zuschauer gespielt werden muss. Der Fußball macht ohne Fans keinen Spass - das wäre ja dann wie Training. Ich bin dafür, dass die Spieler in den Urlaub geschickt werden und erst wieder gespielt wird, wenn das Corona-Virus zu 100 Prozent bekämpft ist.
Wie würden Sie die Liga werten?
So, wie sie jetzt ist. Ich kann mir zwar vorstellen, dass sich dann zwar viele Klubs beschweren, aber ich sehe keinen anderen Ausweg. Jeder Verein hätte ja schon vorher für klare Verhältnisse sorgen können.
Viele Vereine haben Existenzängste.
Ich muss es so deutlich sagen: Wenn man sich die Spieler nicht mehr leisten kann, muss man sich von ihnen trennen und dem Nachwuchs eine Chance geben. 1860 hatte nach meiner Zeit auch mit den Folgen der Kirch-Krise zu kämpfen und musste sich von einigen Leistungsträgern trennen. Das vergessen die Fans heute schnell mal.
Machen Sie sich Sorgen um 1860?
Solange Hasan Ismaik mitmischt, wird 1860 nie in die Insolvenz gehen. Aber einfach wird es unter den aktuellen Voraussetzungen natürlich nicht. Wer nicht zusammenarbeitet, braucht sich nicht darüber zu wundern, dass man auf der Stelle tritt. Ich hoffe, dass die beiden Gesellschafter die Corona-Zeit nutzen udn sich annähern. Und wenn sie nicht können, sollen sie mich anrufen: Ich werde ihnen erklären, was 1860 für ein Verein ist.
Reisinger? Jetzt kann er beweisen, ob ihm der Profifußball wirklich wichtig ist
Die Rolle von Präsident Robert Reisinger ist undurchsichtig.
Man muss mit Ismaik zusammenarbeiten. Er will auch nur Erfolg, das ist doch logisch. Die Fans brauchen keinen Präsidenten, der ihnen sagt, wie man sich in der Corona-Krise die Hände wäscht. Sie brauchen jetzt einen Präsidenten, der klare Statements von sich gibt, der vorangeht. Jetzt kann er beweisen, ob ihm der Profi-Fußball wirklich wichtig ist. Das ist das Entscheidende, sonst brauche ich keinen Präsidenten…leider hat mich dieser Präsident noch nicht überzeugt.
Bis zum Corona-Stopp waren die Löwen in der Dritten Liga auf dem Vormarsch…
1860 ist Tabellensechster! Entschuldigung, aber das ist für mich wie Landesliga. 1860 hat früher um alles gespielt - auch um den Europapokal. Deswegen kann ich mit der Lobhudeleien wenig anfangen. Es darf für einen Verein wie 1860 nicht der Anspruch sein, sich über einen Mittelfeldplatz in der Dritten Liga zu freuen. 1860 ist noch immer einer der ganz großen Traditionsvereine in Deutschland. Das vergessen viele. Die Fans wollen sportlichen Erfolg - nicht das Rumgeeiere in der Dritten Liga. Für mich ist das einfach nicht gut genug.
Für die Löwen kommt nun erschwerend hinzu, dass viele Verträge von Leistungsträgern auslaufen, u.a. der von Torjäger Sascha Mölders.
1860 muss jetzt positive Signale an die Fans senden - und dazu gehören auch Vertragsverlängerungen mit Spielern wie Sascha Mölders. Ich sage ganz klar: Ich bin kein großer Fan von Mölders. Für meinen Geschmack läuft er zu wenig. Aber wenn 1860 nicht mit dem verlängert, brauchen sie nächstes Jahr gar nicht weiterzumachen.