VON OLIVER GRISS

Es gibt nicht wenige Löwen-Fans, die jetzt den FC Bayern als Spielverderber ausmachen – weil der es sich erlaubt, eine Mannschaft ins Rennen der Dritten Liga zu schicken, die aus ihrer Sicht überqualifiziert ist. Doch bei einem genauen Blick handelt es sich eigentlich nur um eine verstärkte U19 der Bayern, die zweifelslos für diese Liga Klasse hat, aber eben auch keine Übermannschaft ist. Sie hat das, was die Grundvoraussetzung für ambitionierten Profifußball ist: Talent, Technik und Geschwindigkeit. Nicht mehr und nicht weniger.

Das ist Tatsasche.

Daran sieht man auch, wie die Ansprüche der Löwen in den letzten Jahren in den Keller gesunken sind. Früher hat nicht selten die 2. Mannschaft des TSV 1860 für die Bayern-Amateure ausgereicht, um diese zu besiegen. Auch auf das NLZ der Löwen hat neidvoll die ganze Bundesliga geblickt - auch die Bayern. Aber das alles verdrängt man immer wieder.

Die Profi-Mannschaft der Löwen ist nicht nur an den Bayern-Bubis gescheitert, sondern an seiner chronischen Streitsucht und Unfähigkeit, die sich seit Jahren wie ein blauer Faden durch den Verein ziehen und nicht wenige müde macht. Auf der einen Seite die, die den Meister von 1966 als kleinen Giesinger Stadtteilverein und eine Stadionruine vor dem Leistungssport sehen - auf der anderen die, die die großen Tage des Turn-und Sportvereins von München 1860 wieder erleben wollen. Das ist eine toxische Mischung, die garantieren wird, dass die Löwen nie wieder positive sportliche Schlagzeilen fernab der Dritten Liga schreiben werden. Einen Mittelweg hat man auch in den letzten drei Jahren nicht gefunden - trotz der groß angekündigten Worte von Präsident Robert Reisinger. Als der 56-Jährige vor drei Jahren für Peter Cassalette übernommen hatte, versprach er: “Ich stehe für Dialogbereitschaft. Ich bin ein großer Freund des miteinander Redens.” Es sind autorisierte Aussagen aus dem “Wochenanzeiger”. Zitate, die 36 Monate später wie blanker Hohn klingen. Alle, die Reisingers Weg und den seiner Mitstreiter unterstützen, machen sich mitverantwortlich.

1:2 gegen Bayern II - sind Sie trotzdem mit dieser Drittliga-Saison aus Löwen-Sicht zufrieden?

Umfrage endete am 08.07.2020 22:00 Uhr
Nein! Es müssen sich JETZT grundlegende Dinge bei 1860 ändern.
65% (3774)
Ja, wir können mit erhobenem Haupt in die Sommerpause gehen!
35% (2068)

Teilnehmer: 5842

Der sportlichen Kommandobrücke darf man attestieren: Sie hat im Bereich ihrer zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einen guten Job gemacht. Unter der Leitung von Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel performten die Trainer Daniel Bierofka und nun Michael Köllner mit dem Kader der Saison 2019/2020 mehr als ordentlich. Für einen Drittligisten hat 1860 seit dem Zwangsabstieg wieder Kompetenz auf diesen wichtigen Positionen. Doch der Sport stößt an seine Grenzen, weil er nicht nur mit bescheidenen Mitteln auskommen muss, sondern sich auch immer wieder den internen Störfeuern ausgesetzt sieht. Und das Geld wird in den nächsten Jahren noch knapper, auch wegen Corona. Köllner dürfte mittlerweile längst verstanden haben, warum sein Vorgänger Bierofka im Herbst 2019 unter Tränen die Reißleine an der Grünwalder Straße 114 gezogen hat.