VON OLIVER GRISS

Ehrlich? Ich musste ein wenig spicken, um nachzuverfolgen, wieviele Trainer ich beim TSV 1860 seit der Saison 1989/1990 als Reporter aus nächster Nähe erleben durfte. Inklusive dem aktuellen Löwen-Dompteur Michael Köllner sind es sage und schreibe 30. Eine große Zahl.

Und genau deswegen traue ich mir zu, ein Ranking abzugeben: Michael Köllner gehört zu meiner persönlichen “Top Five” in dieser Zeit. Oft lagen die Verantwortlichen an der Grünwalder Straße 114 mit ihrer Trainer-Entscheidungen völlig daneben. Doch bei Köllner war das anders. Nach ersten Zweifeln - begründet auch nach dem traurigen Bierofka-Aus - hat er mich mehr als überrascht. Und es ist wirklich keine Selbstverständlichkeit, dass ein “Externer” das System 1860 so schnell verinnerlicht und damit umzugehen weiß. Köllner ist ein sympathischer Löwen-Versteher, aber natürlich auch ein Trainer, der sich auch neben dem Platz zu verkaufen weiß. Das ist eine seiner großen Stärken. Nicht umsonst hat er mal gesagt: “Ich bin der Löwen-Trainer für alle.”

Köllner hat die Löwen in den letzten 22 Monaten stetig nach vorne gebracht: Platz 8, Platz 4 - und in dieser Saison wird von ihm der Aufstieg in die Zweite Liga erwartet (das erwartet er übrigens auch von sich selbst). Doch schon auf der Zielgeraden der vergangenen Saison, als 1860 kurz vor dem Aufstieg in die Zweite Liga stand, flirtete Köllner mit Austria Wien. Zu diesem Zeitpunkt? In Vorahnung, dass das Erreichte mit 1860 kaum mehr zu toppen sei?

Uli Kellner, Langzeit-Reporter des “Münchner Merkur”, bekräftigt in seinem aktuellen Kommentar “Köllner und die Löwen: das verflixte dritte Jahr” diese These: “Viele haben im Frühjahr nicht verstanden, dass der Erfolgstrainer die Exit-Lösung Austria prüfte, doch inzwischen zeigt sich: Er scheint eine Vorahnung gehabt zu haben, dass es bei Sechzig schwierig werden könnte, im dritten Jahr noch einen draufzusetzen. Eine Ausstiegsklausel, von Sportchef Gorenzel weitsichtig in den Vertrag reinverhandelt, verhinderte Köllners Abschied. Gorenzel organisierte auf dem kurzen Dienstweg auch noch drei Wunschspieler des Trainers. Und trotzdem: Es läuft nicht, wie es laufen sollte.”

Der Termin für die Mitgliederversammlung des TSV 1860 steht: Gehen Sie am 24. Oktober hin?

Umfrage endete am 20.09.2021 20:00 Uhr
Nein, ich bin kein Mitglied!
54% (686)
Ja, natürlich gehe ich zur MV!
19% (244)
Nein! Ich bin zwar Mitglied, aber mich interessiert Vereinspolitik nicht.
14% (179)
Nein! Ich bin zwar Mitglied, aber gehe aus Corona-Gründen nicht hin!
13% (161)

Teilnehmer: 1270

Die Gründe sind vielschichtig: Seine erfahrene Mannschaft, die in der Vorsaison weit über dem Limit spielte und vor allem dabei von seinem überragenden Torgaranten Sascha Mölders profitiert hat, ist in dieser Runde bislang nur ein stinknormales Drittliga-Team. Zur verlorenen Leichtigkeit kommen Verletzungssorgen und gravierende Formschwankungen. Eine gewisse Blauäuigkeit bei der Kaderzusammenstellung runden das Bild ab - und nein, es liegt nicht immer nur am Geld. Diese Ausrede ist zu billig. Bei 1860 wird für Drittliga-Verhältnisse teilweise übertariflich bezahlt. Warum sich Köllner in der Sommerpause beim Ruf nach Verstärkungen so zurückgehalten hat, obwohl er wusste, dass auch er selbst an den Ergebnissen gemessen wird, das bleibt sein Geheimnis. Vielleicht ist die defensive Haltung des Oberpfälzers auch seinem Charakter geschuldet.

Die Mannschaft, die Köllners grenzenloses Vertrauen spürt, muss jetzt dem Trainer etwas zurückgeben. Noch bleibt genügend Zeit, um wieder auf Touren zu kommen. Damit auch Köllner wieder lachen kann.