Ungesundes Klima
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (Foto)
- 10.12.2021 09:29
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Am Dienstag war Günther Gorenzel (50) an der Grünwalder Straße 114 noch vor der Presse aufgetreten - und hatte behauptet, dass es keine Suspendierung für Fanliebling Sascha Mölders (36) gebe. Kollektives Kopfschütteln in der Journalistenrunde. Dabei war zu diesem Zeitpunkt längst klar: Der umstrittene 1860-Kapitän (db24-Saison-Note 3,57) wird aufgrund zahlreicher Undiszipliniertheiten nie wieder für den Drittligisten auflaufen. Die Nummer 9 ist inzwischen freigestellt. Längst wird über einen Auflösungsvertrag gesprochen. Es geht um sechs Monatsgehälter, geschätzt um rund 90.000 Euro.
Möglicherweise wollte Gorenzel mit seinem öffentlichen Statement einem drohenden Arbeitsgerichtsprozess mit Mölders entgegenwirken. Die Löwen hätten sich dieses Schauspiel ersparen können, hätten sie von Anfang an mit offenen Karten gespielt und den Grund für den Bruch mit der “Wampe von Giesing” genannt. Dazu hätte eine kurze Presseerklärung mit dem Hinweis gereicht, dass Mölders aufgrund von diversen Verfehlungen auf Eis gelegt ist.
Das Krisenmanagement hat bei den Löwen versagt - der größte Vorwurf an Gorenzel ist aber: Warum konnte es überhaupt soweit mit Mölders kommen? Und warum hat sich der Torjäger Dinge rausnehmen können, die es in keinem anderen Profiverein gibt?
Zu keinem Zeitpunkt konnte eine gesunde Hierarchie bei 1860 entstehen, denn wenn Profil-Spieler wie Adriano Grimaldi (jetzt Saarbrücken) verpflichtet wurden, blies ihnen in relativ kurzer Zeit aus einer Ecke ein scharfer Wind entgegen. Bei Grimaldi war’s so, dass sich in der Löwen-Kabine nach “Grünwaldis” Tor-Hype schnell eine Zweiklassen-Gesellschaft bildete: Auf der einen Seite die Mölders-Clique (u.a. Aaron Berzel, Alessandro Abruscia, Quirin Moll) - auf der anderen Seite die Grimaldi-Jungs (u.a. Daniel Wein, Efkan Bekiroglu, Herbert Paul, Simon Lorenz, Kristian Böhnlein, Nono Koussou): Als dann das lukrative Angebot vom KFC Uerdingen kam, machte Grimaldi entnervt den Abflug. Bis heute will der Stürmer nicht über die Probleme bei 1860 reden. Das entscheidende Problem: Ex-Trainer Daniel Bierofka bekam die Querelen nur am Rande mit - weil er zu diesem Zeitpunkt den Großteil der Woche auf Trainer-Lehrgang in Hennef war.
Günther Gorenzel wackelt: Wen könnten Sie sich bei 1860 als Sportchef vorstellen?
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Auch mit Dennis Erdmann, der menschlich und sportlich mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hatte, aber von Gorenzel bei 1860 anfangs als “Königstransfer” vorgestellt wurde, gab es des Öfteren Knatsch mit Mölders. Mit Abwehrchef Stephan Salger, der 2020 als Führungskraft von Bundesliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld für gutes Geld verpflichtete wurde, verlief es ähnlich: Mölders und Salger konnten sich nicht ausstehen.Es ging auch um Macht. Mit Richard Neudecker pflegte Mölders anfangs ein freundschaftliches Verhältnis - doch daraus wurde schnell ein unterkühltes Verhältnis. Es ging immer um Macht. Ob’s ein Zufall ist, dass Neudecker seit Dienstag mit einer ganz anderen Körpersprache im Training mitwirkt? Auch der Ex-Braunschweiger Marcel Bär, der anfangs vor Selbstvertrauen sprühte, fiel schnell in ein Loch - ausgelöst angeblich aufgrund Mölders’ schroffem Ton und Spezialbehandlung.
Fakt ist: Zu keiner Zeit konnte sich eine Hierarchie in der Löwen-Mannschaft bilden, die Chemie in der Kabine war nicht gesund - und auch diesen Vorwurf muss sich Gorenzel gefallen lassen, dass er diese schrägen Entwicklungen zugelassen hat. Es heißt auch, dass Trainer Michael Köllner den Österreicher mehrmals darauf hingewiesen haben soll, dass es extreme Probleme mit Mölders gebe und er die Mannschaft dadurch verliere. Warum Gorenzel als Sportlicher Leiter mit über 20 Jahren Berufserfahrung u.a. bei Rubin Kasan nicht eingegriffen hat, das bleibt sein Geheimnis.