Würzburgs Mo Heinrich im db24-Interview: Warum er noch eine Rechnung mit 1860 offen hat
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (Foto)
- 20.12.2021 10:58
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Moritz Heinrich (24) hat eine Geschichte bei 1860. Auch deswegen fiebert er dem bayerischen Drittliga-Derby gegen die Löwen (heute, 19 Uhr, db24-Ticker) entgegen. Warum der frühere Jugend-Nationalspieler eine Rechnung mit den Löwen offen hat und warum der frühere U19-Bundesliga-Torschützenkönig vor sechs Jahren Gladbach und Leipzig einen Korb gegeben hat, lesen Sie im db24-Interview.
db24: Moritz Heinrich, Hand aufs Herz: Wie oft ging Ihnen in den letzten Monaten die Szene des Hinspiels durch den Kopf, als Sie beim Stand von 0:0 allein auf 1860-Torwart Tom Kretzschmar zuliefen und den Ball nicht an ihm vorbei brachten?
MO HEINRICH: Ich habe mich selbst oft damit konfrontiert in den letzten Monaten. Ich habe mir gedacht: “Hätte ich mir den Ball nur vorbei gelegt und schieße nicht.” Aber Kretzschmar hat wirklich gut reagiert. Normalerweise muss man den Ball aber machen. Aber ich kann es leider nicht mehr rückgängig machen. Leider haben wir damals dann auch noch unglücklich mit 0:1 verloren. Für mich gilt es jetzt, am 20. Spieltag endlich ein Tor zu machen. Es wäre schön, wenn das mit einem guten Rückrunden-Start gegen 1860 klappt.
db24: Dabei war Ihre Spezialität früher zu erfolgreichen Jugendzeiten das Toreschießen: Sie waren im Trikot des TSV 1860 sogar U19-Bundesliga-Torschützenkönig. Die Scouts sprachen eher von Ihnen als von Ihren Alterskollegen Felix Uduokhai oder Florian Neuhaus…
(lacht): Lang ist es her. Natürlich habe ich noch kein Tor in dieser Saison erzielt, aber was mich positiv stimmt: Ich habe weiterhin meine Chancen. Anfangs hat die Zielstrebigkeit und die letzte Konsequenz gefehlt, aber da habe ich in den letzten Wochen aufgeholt. Ich will jetzt Scorerpunkte sammeln, damit wir da unten rauskommen. Das Spiel gegen die Löwen wäre ein guter Anfang. Aber wir wissen natürlich: Das wird eine eklige Angelegenheit gegen 1860.
db24: Woran liegt’s denn, dass Würzburg als Zweitliga-Absteiger jetzt unten im Keller steht?
Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir eigentlich alles Spieler sind, die mit einem Negativerlebnis in die neue Saison gegangen sind. Das dauert seine Zeit, das zu verarbeiten. Ich weiß zum Beispiel bis heute nicht, warum ich mit Unterhaching absteigen musste. Wir waren zwischendurch Zweiter, ich war unter den Top 3 der Scorerliste. Von den Einzelspielern aber haben wir in Würzburg eine wirklich gute Truppe. Jetzt müssen wir den Schalter umlegen, eine Mannschaft werden und uns auf die Tugenden berufen, die man in der Dritten Liga braucht. Ich finde, seit dem Trainerwechsel (Ex-Löwe Danny Schwarz übernahm vor einigen Wochen, d. R.) spielen wir wieder Fußball. Es läuft besser. Es bleibt noch genügend Zeit, um da unten raus zu kommen, aber wir wollen das gegen 1860 schon in die richtigen Bahnen lenken.
db24: Sie hatten vorhin den neuen Trainer angesprochen: Danny Schwarz ist bei 1860 ein alter Bekannter. Er war zu Zweitliga-Zeiten in der Saison 2007/2008 Kapitän an der Grünwalder Straße. Was ist er für ein Trainer-Typ?
Der Trainer ist sehr zielstrebig und engagiert. Er hat einen klaren Plan vor Augen. Er möchte mit Fußball da unten rauskommen - nicht mit langen Bällen und dem sogenannten zweiten Ball. Er macht klare Vorgaben, er sieht auch die Baustellen. Schwarz legt sehr viel Wert auf Taktik und Analyse, aber er fordert auch die Grundtugenden: Zweikampf und Laufarbeit. Ich würde ihn nicht als Schleifer, sondern als neu-modernen Trainer bezeichnen.
db24: Es gibt mit dem Trainer-Duo Schwarz, Ihnen, Hendrik Bonmann, Fanol Perdedaj und Marvin Pourie insgesamt sechs Ex-Löwen bei Würzburg. Bei wem kribbelt es am meisten?
Wir freuen uns alle und sind heiß auf das Spiel. Viele hatten eine besondere Vergangenheit bei 1860. Ich war früher zu Bundesliga-Zeiten oft Balljunge, habe Paul Agostino angehimmelt. Es gibt in der Kabine die ein oder andere Stichelei. Aber das ist normal. Das geht ja jedem so. Dort, wo du mal gespielt hast, willst du dich beweisen. Wir haben alle was gutzumachen. Jeder will auf seine Weise zeigen, dass er sich weiterentwickelt hat. Jeder hat möglicherweise auch och eine offene Rechnung.
db24: Was steht auf Ihrer Rechnung?
Mit den Verantwortlichen, die jetzt in Amt und Würden sind, habe ich keine offene Rechnung, aber mit dem Verein, mit meiner Zeit. Es ist bei mir alles unglücklich gelaufen. Ich habe 14 Jahre bei 1860 gespielt. Seit der U7 oder U8. Ich sehe da schon eine gewisse Undankbarkeit.
db24: Klären Sie uns auf!
Mir wurde nach der U19 ans Herz gelegt, dass ich bleiben soll und meine Chance in der Zweiten Liga bekommen werde. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch Angebote aus der Bundesliga: Gladbach, Leipzig, Leverkusen, Stuttgart, Nürnberg. Bis auf Bayern und Dortmund war alles dabei. Klar, am Ende lag es an mir, dass ich mich bei 1860 - anders als Felix Uduokhai und Flo Neuhaus - nicht durchgesetzt habe. Der Umbruch damals war nicht gut für mich: Da kommt Stefan Aigner, Ivica Olic - da ist klar, dass der junge Heinrich erstmal nix zu melden hat.
db24: Warum haben Sie nicht mehr um Ihre Chance gekämpft?
Ich war frustriert, dass ich nicht beachtet worden bin. Ich habe in dieser Zeit nicht wie ein Profi gelebt - das lag aber nicht daran, dass ich den Verlockungen der Stadt widerstanden hätte, sondern ich war noch nicht reif für diese Aufgabe. Ich habe mich zu schnell hängen lassen. Das hat mir Ende des Tages ein Jahr gekostet. Nach dem Zwangsabstieg 2017 war auch das vertraute Gefühl zu 1860 weg. Aber es hat Gründe, warum ich jetzt Dritte Liga - und nicht Zweite Liga oder Bundesliga. Ich weiß jetzt: Ich muss mehr machen, dann werde ich auch belohnt.
db24: Wie nimmt man 1860 heute von außen war?
Stabil wirkt das Konstrukt 1860 nicht - das ist zumindest meine Sichtweise von außen. Ich glaube, es gibt schon noch viele Baustellen: Stadion, Finanzen. Ich finde das alles für die Fans schade: So etwas gibt es in der Dritten Liga vielleicht noch zweimal. Selbst in höheren Ligen gibt es Vereine, die hätten gerne die Wucht von 1860.
db24: Wie sehen Sie heute die Nachwuchsarbeit bei 1860?
Was ich sagen kann: Unter Wolfgang Schellenberg und Jürgen Jung war die Jugendarbeit bei 1860 so ziemlich das Größte. Die Löwen waren das Vorbild für viele Bundesliga-Vereine. Wenn man nachschaut, wer alles von 1860 kommt, dann kriegst du eine Mannschaft zusammen, die möglicherweise im vorderen Bereich der Bundesliga mitmischen würde. Die Jugendarbeit hat den Verein immer ausgezeichnet. Wenn man ehrlich ist: Haching hat einen Riesensprung gemacht, Bayern ist auf einem guten Level - und 1860 hat eben in den letzten Jahren abgebaut. Ich finde das sehr schade. Klar, ist es top, dass die U17 Bundesliga spielt, aber die wichtigsten Jahre spielen sich in der U19 ab. Und da spielt 1860 in der Bayernliga…
db24: Zurück zum Drittliga-Derby am heutigen Montag: Mit Sascha Mölders wird’s zumindest keinen Stress mehr auf dem Platz geben. Der Ex-Kapitän hat am Sonntag seinen Vertrag bei den Löwen aufgelöst…
Ja, da sind wir bei den ganz wenigen Charakterköpfen der Liga…Sascha ist keiner, der Probleme aussitzt, sondern anspricht. Ich weiß wirklich nicht, was passiert ist. Mit Sicherheit hat auch er ein Päckchen zu tragen. Trotzdem muss man auch sagen: Leider ist der Fußball undankbar, da ist der Fall Mölders ein gutes Beispiel. Ich glaube aber, dass man ihn auf jeden Fall bei einem anderen Verein nochmal spielen sieht - wenn auch vielleicht dann nur noch in der Regionalliga. Haching könnte ich mir gut vorstellen.
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