VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Die TV-Kamera von MagentaSport hatte die Szene eingefangen: Als Löwen-Trainer Michael Köllner (52) nach dem 2:2 gegen den Tabellendritten Braunschweig den traditionellen Spielerkreis nach dem Abpfiff verlassen hatte, zog der Oberpfälzer seine finstere Miene auf. Haderte er mit sich selbst - oder doch mehr mit seiner Mannschaft?

Köllner wusste: Dieses Unentschieden ist eine gefühlte Niederlage - und ein Rückschritt für die geplante Aufholjagd. Seine Mannschaft hatte nach einer respektablen 2:0-Pausenführung gegen ein Spitzenteam zwei Punkte weggeworfen, die in der Endabrechnung fehlen könnten. Der Rückstand auf Platz 3 beträgt aktuell sieben Punkte - wohlgemerkt noch mit zwei Spielen in der Hinterhand. Noch ist freilich alles möglich. Doch der Druck wird nicht geringer.

Was in Köllner vermutlich besonders nagen wird: Wieder konnten seine Löwen eine Top-Mannschaft der Dritten Liga nicht besiegen. Dieser Makel bleibt trotz der ausgezeichneten 13 Punkte aus den letzten fünf Spielen in dieser Saison vorerst bestehen.

In der ersten Hälfte boten die Löwen Drittliga-Fußball par excellence (starkes Gegenpressing, One-Touch-Fußball, große Einsatzbereitschaft) - nach dem Seitenwechsel gaben die Sechzger das Spiel aus der Hand. Sie reagierten nur noch, statt weiter den Ton anzugeben. Das Fazit von Marcel Bär, der das 1:0 erzielte und sein Torkonto damit auf zehn Treffer schraubte, fiel so aus: “Wir waren nicht mutig genug. Wir waren zu hastig am Ball. Haben die Bälle nur noch nach vorne geschossen. In der ersten Hälfte waren wir besser, in der zweiten Halbzeit Braunschweig. Deswegen geht der Punkt in Ordnung.”

Nicht zu übersehen war, dass die Löwen dem Gegner in der zweiten Hälfte körperlich nicht mehr auf Augenhöhe begegnen konnten. Köllner gab zu: “Wir können einen Gegner nicht 90 Minuten bearbeiten - so gut sind wir nicht. Wir müssen schauen, dass wir in diesem Punkt in den nächsten Wochen zulegen.”

Dass seine Mannschaft nicht austrainiert wirkt, diesen Vorwurf wies Köllner auf db24-Anfrage jedoch von sich: “Der Wind war heute für beide Mannschaft schwierig. Wenn drei Spieler aus einer Corona-Infektion oder andere aus einer Verletzung rauskommen, dann sieht man das einfach.” Umso unverständlicher, dass der TSV 1860 mit diesem Wissen auf dem Winter-Transfermarkt nicht reagiert hat.

Was bei diesem 2:2 gegen Braunschweig einmal mehr sichtbar wurde: Die Löwen können im Vergleich zu vielen anderen Klubs eigentlich selten gleichwertig wechseln, vor allem dann, wenn das Spiel auf Messers Schneide ist. Nur Abwehrtalent Niki Lang konnte seinen Kurz-Einsatz mit einer guten Leistung rechtfertigen, Tim Linsbichler agierte unglücklich - und Merv Biankadi, der das Braunschweiger 2:2 mit einem arroganten Rettungsversuch einleitete, hat sich vermutlich schon aufgegeben. Köllner wird in den nächsten Tagen nicht nur als Trainer, sondern auch als Psychologe gefragt sein.