VON OLIVER GRISS

Wenn 1860-Präsident Robert Reisinger heute die Reise von Kirchheim ins 400 Kilometer entfernte Freiburg auf sich nimmt, dann geht’s zu seinem großen Vorbild - dem SC Freiburg.

Zwar spielt der Löwe nur gegen die zweite Mannschaft der Breisgauer, aber immerhin. Und nachdem Reisinger bei jeder Gelegenheit gerne den Sportclub zum Thema personelle Kontinuität, sportliche Entwicklung und Visionen nennt, sollte sich der Unternehmensberater auch mit einer anderen Säule beschäftigen, die der Sportclub inzwischen geklärt hat: Die Stadion-Frage.

Reisinger sollte sich ernsthaft hinterfragen, warum die Freiburger ihr schnuckliges Dreisamstadion mit großem Kult-Charakter und 24.000 Plätzen verlassen haben und gegen das 131 Millionen teure Europa-Park-Stadion mit einer Kapazität von 34.700 Plätzen eingetauscht haben? Ausgerechnet das kleine Freiburg.
Nein, die Freiburger sind nicht größenwahnsinnig, wollen sich aber im Business Profifußball weiter entwickeln und mithalten mit der Konkurrenz. Es ist ein harter Wettbewerb. Auf Strecke wird sich der Umzug auszahlen. Keiner kann in Abrede stellen, dass die seriösen Freiburger vernünftig sind. Sie sind ja auch Reisingers großes Vorbild.

Aber was will 1860 wirklich? Nachdem ein Teil des Klubs und der Fanlandschaft von einer Zukunft in einem umgebauten Grünwalder Stadion träumt (18.105 Plätze, keine Bundesliga-Lizenz!), hat die Fußballfirma der Löwen zuletzt ein deutliches Signal gesetzt: Der TSV kann sich kein langfristiges Mietverhältnis über zehn Jahre vorstellen - zumindest nicht unter den Konditionen, die der Stadt vorschweben. Eine vernünftige Entscheidung. Es war ein starkes Statement.

Doch nicht allen Funktionären aus dem Klub soll dieses Statement aus dem dritten Stock gefallen haben, heißt es zumindest. Von Reisinger gab es bis dato zu dieser neuen Entwicklung keine Aussagen. Jedoch muss sich der Ober-Löwe nun auch in der Öffentlichkeit klar positionieren, schließlich steht am 10. Juli bei der Mitgliederversammlung seine Wiederwahl auf der Agenda. Die Mitglieder wollen endlich abgeholt werden, was Reisinger mit 1860, insbesondere in der Stadion-Thematik, vor hat. Einen Plan B soll es bis dato nicht geben. Fünf Jahre hat der Löwe bereits wieder verloren, um im Wettbewerb in der Stadion-Frage konkurrenzfähig zu sein.

Vielleicht steuert Reisinger heute nicht nur das altehrwürdige Dreisamstadion an, in dem die Löwen um Drittliga-Punkte kämpfen, sondern stellt das Navigationssystem auch kurzzeitig auf das Europa-Park-Stadion ein. Um das Projekt zu begutachten, denn wie heißt’s so schön? Vorbild bleibt Vorbild!