Wann geht's eigentlich um Fußball bei 1860?
- VON MARCO BLANCO UCLES
- 08.07.2022 14:22
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VON MARCO BLANCO UCLES
Eine der besten Transferperioden der letzten Jahre, den Pokalhit gegen Borussia Dortmund vor der Brust und eine ansprechende Sommervorbereitung, die die Spannung auf den Saisonstart täglich mehr anwachsen lässt. Sportlich hätte es beim TSV 1860 durchaus schlechter laufen können, als ich am 1. Juli bei db24 als festangestellter Redakteur begann. Die Vorfreude auf das Trainingslager in Windischgarsten war groß. Eine Woche lang die Löwen begleiten. Ein kleines Träumchen. Nicht wie die vergangenen 16, 17 Jahre meines Lebens als Fan - sondern als Journalist. Das Hobby zum Beruf machen, heißt es immer so schön. Bei mir kommt es glücklicherweise nahe dran.
Ich bin 25 Jahre alt und fußballbegeistert ohne Ende. Das ist das, was mich in erster Linie interessiert. Der Bereich, in dem ich mich auskenne. Nach einer Woche Sechzig muss ich jedoch bilanzieren: Viel Sport war nicht dabei! Vielmehr bestimmten über die Stränge schlagende Fans, Diskussionen über die Mitgliederversammlung im Zenith am kommenden Sonntag sowie ein Interview von Präsident Robert Reisinger die Schlagzeilen. Dass die Löwen gegen zwei österreichische Erstligisten (jeweils 1:1 gegen Ried und Linz) ihre neu dazugewonnene Qualität unter Beweis stellten und quasi ohne verletzte Spieler in die heiße Phase der Vorbereitung gehen können? Randnotizen. Natürlich wusste ich, dass Vereinspolitik in diesem Klub eine sehr, sehr gewaltige Rolle spielt. Nicht falsch verstehen: Vereinspolitik ist wichtig. Nur wenn sie das Sportliche in der öffentlichen Wahrnehmung überstrahlt, läuft irgendetwas gewaltig falsch.
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Bestes Beispiel dafür: Der vereinbarte Test gegen Newcastle United. Wie zahlreiche andere Löwenfans auch, habe ich mich gefreut, dass der Löwe als Drittligist einen solch ambitionierten Premier-League-Club als Generalprobe vor dem Beginn der Pflichtspielsaison gewinnen konnte. Und ganz nebenbei: Vereine dieser Kategorie verlangen im Normalfall Antrittsprämien, wenn es gegen unterklassige Teams geht. Newcastle verzichtet darauf, wie Geschäftsführer Günther Gorenzel auf db24-Nachfrage erklärte. Nein, auch ich verschließe die Augen nicht davor, was in Saudi-Arabien und zahlreichen anderen Ländern dieser Welt passiert und verurteile dies zutiefst.
Dennoch ist der sportliche Wert dieser Partie für die Löwen unglaublich groß. Die wenigsten Spieler im Kader des TSV 1860 durften bislang Erstliga-Luft schnuppern. Gegen die Stars der Premier League aufzulaufen, ist für die Meisten eine wertvolle Erfahrung, an der sie wachsen können. Für meine Generation ist das Duell Sechzig gegen Newcastle unbekanntes Terrain. Im UI-Cup-Halbfinale 2001 unterlag der Löwe nach Hin- und Rückspiel mit 3:6. Damals unter anderem auf dem Platz: Thomas Häßler, Martin Max und Daniel Borimirov - Legenden vergangener Tage.
Dass es in einem Verein mit der Größe Sechzigs zu Meinungsverschiedenheiten kommt, ist normal. Allerdings sollten sich alle Beteiligten stets das gemeinsame Ziel vor Augen führen: Den sportlichen Erfolg. Im Sommer wurde richtig gut gearbeitet bei 1860, die Mannschaft besonders in der Breite verstärkt. Nun liegt es an Trainer Michael Köllner, ein Team auf den Platz zu bekommen, eine Einheit zu formen. Damit 1860 im Mai 2023 die Dritte Liga verlassen kann und nicht zur grauen Maus in dieser finanziell alles andere als lukrativen Spielklasse verkommt. 1860 muss wieder in den großen Fußball kommen. Nur das zählt.