db24: Sie sind in München geboren und bekennender Löwen-Fan. Wie kam es dazu?

Seit ich fünf Jahre alt bin, bin ich Sechzger. Es ist ein geiles Gefühl, wenn ich aktuell auf die Tabelle schaue und sehe die Löwen ganz oben. Nicht nach dem ersten Spieltag, sondern bereits nach dem siebten. Das ist als 1860-Fan schon etwas Besonderes. Von 1994 bis 1996 habe ich sogar zwei Jahre lang in der Löwen-Jugend gespielt. Danach habe ich als Fan alles mitgemacht, die Bundesliga-Zeiten, wie auch die schlechteren Jahre. Ich war auch 2017 gegen Regensburg im Stadion, da hat mein Herz geblutet. Gott sei Dank hat man die Regionalliga Bayern direkt wieder verlassen mit einem überragenden Trainer Daniel Bierofka. Seit zwei, drei Jahren ist Sechzig auf einem guten Weg. Mit einem Trainer, der fachlich und menschlich top ist, das ist Fakt. Auch wenn man es vielleicht nicht gerne hört: Mit dieser Mannschaft ist Sechzig Favorit auf den Aufstieg.

db24: Man hatte in den vergangenen Wochen den Eindruck: Der einzige, der Sechzig stoppen kann, ist Sechzig selbst. Wie sehen Sie das?

Absolut genauso. Diese ständigen Unruhen und Streitereien innerhalb des Vereins sind traurig. Jeder kann seine Meinung haben, aber man sollte sie nicht im Stadion kundtun. Irgendwann verunsichert so etwas auch die Mannschaft. Es sollten alle an einem Strang ziehen. Jeder Fan will doch, dass diese Mannschaft aufsteigt. Es macht überhaupt keinen Sinn, Unruhe reinzubringen. Es ist schwierig, aber machbar, dass die beiden Lager aufeinander zugehen. Es gibt für alles auf der Welt eine Lösung - man muss nur vernünftig miteinander kommunizieren. Es läuft ja sportlich, die Fans müssen zusammenhalten. Ich möchte nächstes Jahr endlich wieder Zweitliga-Fußball im Grünwalder Stadion sehen.

db24: Sie haben auch die großen Löwen-Zeiten unter Karl-Heinz Wildmoser und Werner Lorant erlebt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese gloreichen Jahre?

Für Menschen wie Wildmoser, die einen Verein so weit nach oben bringen, haben wir in der Türkei einen bestimmten Ausdruck: “Efsane Baskan”. Das bedeutet auf deutsch so viel wie “legendärer Präsident”. Er und Lorant waren für Sechzig wie ein Sechser im Lotto, das hat wie die Faust aufs Auge gepasst. Man war in der Champions-League-Qualifikation, unfassbar. Damals war alles im Lot. Es gab auch keine zwei Lager im Stadion, alle haben für Sechzig an einem Strang gezogen.

db24: Zurück in die Gegenwart: 15.000 Zuschauer passen in das Grünwalder Stadion. Die Kultstätte wird jedoch ziemlich wahrscheinlich nicht ausverkauft sein. Teile der Löwen-Fans boykottieren die Partie. Haben Sie Verständnis dafür?

Den Fans, die diese Abneigung haben, darf man es nicht übel nehmen. Aber die sollen doch den Leuten, die jetzt bei Türkgücü das Sagen haben, eine faire Chance geben. Dann werden sie sehen, dass es eben nicht so läuft, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist. Jeder Sechzigfan ist am Dienstag willkommen. Es ist das Grünwalder Stadion, es ist ihr Stadion. Wir wollen ein Münchner Fußball-Fest daraus machen. Wir wollen uns am Dienstag als das Türkgücü präsentieren, wie es in der Vergangenheit schon einmal war. Jeden, der sauer ist auf Türkgücü, kann ich verstehen. Das heißt aber nicht, dass diejenigen, die jetzt ganz vorne dabei sind, genauso sind wie ihre Vorgänger. Wir wollen einfach nur die faire Chance, uns zu präsentieren. Die Fans sollen kommen, das wird ein super Spiel. Die Westkurve ist natürlich freigegeben, das ist die Kurve der Löwen.

db24: Sie sind auch auf dem Spielfeld aktiv, allerdings mittlerweile nur noch als Schiedsrichter…

Ja, seit acht Jahren. Es macht unfassbar viel Spaß. Mein Spitzname ist “roter Baron” (lacht). Manche Spieler wollen auf dem Feld Karten spielen. Dabei vergessen sie aber, dass nur ich Karten dabei habe (lacht). Auf einem Lehrgang der Schiedsrichtergruppe Erding hat 2015 Christoph Daum einen Vortrag gehalten. Als er damals gefragt wurde, was wäre, wenn er Sechzig-Trainer wäre, hat er geantwortet: Dann wäre das gut für Sechzig (lacht).

db24: Wie kommt Christoph Daum zur Schiedsrichtergruppe Erding?

Er war 2004 Trainer bei Fenerbace - meinem Lieblingsklub in der Türkei. Einen Spieler hat er zur Behandlung nach München geschickt, dabei habe ich geholfen. Damals haben wir uns kennengelernt und sind seitdem eng befreundet. Immer wenn er in München ist, hole ich ihn vom Flughafen ab. Dann kommt er mit zu uns, wir essen zusammen. Die Gastfreundschaft ist uns Türken wichtig, Michael Köllner kann ja ein Lied davon singen (lacht). Daum, den ich nur “Coach” nenne, kann ich immer anrufen, wenn ich Hilfe brauche. Er ist für mich so etwas wie ein großer Bruder.

84191.png

db24: Gibt es weitere Freundschaften mit Menschen aus dem Profifußball?

Mit dem ehemaligen Nationalkeeper der Türkei, Rüstü Recber, bin ich gut befreundet. Er hat 2002 bei Fenerbace unter Werner Lorant gespielt. Eines Tages hat mich Lorant angerufen, ich müsse Rüstü aus Rotterdam - dort hatten sie ein Champions-League-Spiel - abholen, und mit ihm nach München zum Arzt fliegen. So haben wir uns damals kennengelernt.