Ex-Löwe Marco Kurz im db24-Interview: "Stadtderbys sind mit nichts zu vergleichen"
- VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTO)
- 06.10.2022 09:33
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VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTO)
Der 27. November 1999…
Ein Tag, der sich bei allen (damals schon lebenden) Löwenfans für immer ins Gedächtnis gebrannt hat. 1:0-Derbysieg gegen den FC Bayern - der erste nach 22 langen Jahren. Eine entfesselt aufspielende Sechzgermannschaft bezwang den ungeliebten Nachbarn verdient mit 1:0. Ihr Kapitän: Marco Kurz. Der Verteidiger räumte alles ab, was sich ihm in den Weg stellte, war einer der Garanten für den historischen Triumph.
Im Hier und Jetzt sind die Löwen von einem Stadtderby in der Bundesliga weit entfernt. Am Wochenende (Samstag, 14.03 Uhr, db24-Ticker) steht das Drittliga-Spitzenspiel gegen den FC Ingolstadt an. Für Kurz ein besonderes Spiel: Beide Vereine trainierte der heute 53-Jährige einst. Im db24-Interview spricht Kurz über das anstehende Legenden-Derby im Olympiastadion, das Duell seiner beiden Ex-Vereine auf Giesings Höhen sowie seine Trainerkarriere, die seit 2020 pausiert.
db24: Herr Kurz, haben Sie ihre Sporttasche schon gepackt für das Legenden-Derby zwischen den Löwen und dem FC Bayern am 23. Oktober?
MARCO KURZ (53): Ich habe bislang nur davon gelesen, kontaktiert hat mich noch niemand. Grundsätzlich finde ich es eine großartige Sache. Ich wurde im Frühjahr am Sprunggelenk operiert, habe ewig kein Fußball mehr gespielt, aber ich hätte schon großen Spaß daran, da aufzuschlagen.
db24: 1860, FC Bayern, Olympiastadion. Was schießt Ihnen dabei sofort durch den Kopf?
Der 27. November 1999, Derbysieg. Ich war in der Nacht davor nicht im Hotel, sondern im Krankenhaus, da meine Tochter Luisa auf die Welt kam. Am Nachmittag dann haben wir die Bayern geschlagen, das ist natürlich hängengeblieben. Stadtderbys sind mit nichts zu vergleichen, auch nicht mit Revierderbys (Kurz spielte auch für Schalke 04; d. Red.). Ich hatte am Ende des Spiels schon Tränen in den Augen, musste mich aber bis zum Schlusspfiff zusammenreißen. Eine Erinnerung, die ich für immer mit meiner Tochter verbinden werde.
db24: Wie lange haben Sie damals nicht geschlafen?
(lacht) Die Nacht vorm Derby habe ich wie gesagt nicht geschlafen. Die Nacht danach auch nicht, da wir mit der Mannschaft dementsprechend unterwegs waren. Am Tag danach im Krankenhaus bin ich mit meiner Tochter im Arm eingeschlafen, das war einfach toll.
db24: Kommen wir zu Ihrer Trainerkarriere. Seit April 2020 haben sie keine Mannschaft mehr trainiert. Ist ihre Laufbahn als Coach bereits beendet?
Nein, das nicht. Pandemiebedingt war es schwierig, Spiele im Stadion zu verfolgen, zu hospitieren. Das letzte Jahr war ich bei Sky im Hintergrund für Analysen zuständig und war Teil der Sendung “Matchplan”, die sich mit dem Bundesliga-Topspiel beschäftigt. Aber prinzipiell bin ich für eine neue Aufgabe als Trainer offen - im In- und Ausland.
db24: Zwischen 2017 und 2020 waren Sie drei Jahre lang als Trainer in Australien tätig - für Adelaide und Melbourne. Wie kam es dazu und was haben Sie dort erlebt?
Eine Delegation aus Adelaide war in München und hat sich sehr um mich bemüht. Dann haben wir entschieden, das zu machen. Glücklicherweise konnte ich mit Filip Tapalovic einen weiteren Ex-Löwen davon überzeugen, als Co-Trainer mitzukommen. Paul Agostino hat mir sehr viel Informationen über den dortigen Fußball gegeben. Die Spielstärke dort ist mit der deutschen Zweiten oder Dritten Liga zu vergleichen. Fußball ist nach Football und Rugby dort nur die dritte Sportart. Die Entfernungen waren enorm, bei Auswärtsspielen waren wir drei Tage unterwegs. Insgesamt war es eine fantastische Zeit mit tollen Erfahrungen. Wäre die Pandemie nicht gekommen, wären wir auch länger geblieben.
Gewohnt emotional: Marco Kurz als Trainer des australischen Klubs Adelaide United.
db24: Wie meinen Sie?
Die Fluggesellschaft, bei der wir unseren Rückflug für den Juni gebucht hatten, ist pleite gegangen. Und sie war nicht die einzige. Es war ungewiss, was auf uns mit der Pandemie zukommt. Deswegen wollten wir nach Hause zu unseren Familien. Australien liegt für uns Deutsche nunmal am anderen Ende der Welt.
db24: Schauen wir nach vorne. Am Wochenende treffen Ihre beiden Ex-Vereine Sechzig und Ingolstadt (Samstag, 14.03 Uhr, db24-Ticker) aufeinander. Es steht Spitzenspiel drauf. Ist aus Ihrer Sicht auch Spitzenspiel drin?
Ja, absolut. Die Löwen treffen vor ausverkauftem Haus daheim auf eine Mannschaft, die auch den Anspruch hat, aufzusteigen. Das wird eine große Aufgabe. Ingolstadt hat eine sehr ausgewogene Mannschaft, die definitiv oben anzusiedeln ist in der Liga. Aber die Sechzger sind gut gerüstet, haben eine gute Form. Ich bin absoluter Löwenfan und hoffe, dass sie gewinnen.
db24: Sechzig geht als Tabellenführer in dieses Spitzenspiel. Wie haben Sie den Saisonstart der Löwen erlebt?
Auf den Transfersommer bezogen, muss man Geschäftsführer Günther Gorenzel ein großes Kompliment machen. Dass aus drei, vier Abgängen acht, neun Neuzugänge gemacht wurden, ist das große Plus der Mannschaft. Sie ist gebeutelt durch Verletzungen, kann das aber durch den starken Kader kompensieren. Die Ergebnisse bislang sind super. Der Unterschied zur Vorsaison ist, dass die Löwen knappe Spiele auf ihre Seite ziehen. 1860 hat eine tolle Ausgangssituation, aber der Weg ist noch lang.
Das Grünwalder Stadion ist für das Derby gegen Ingolstadt seit Tagen ausverkauft: Haben Sie eine Karte bekommen?
Teilnehmer: 4113
db24: Der Druck, die Erwartungshaltung im Umfeld ist groß. Ein Nachteil?
Der Druck ist auch positiv. Und vor allem: Selbst gewollt. Der Aufstieg wurde klar als Ziel kommuniziert und das finde ich auch gut. Du musst demütig und fleißig bleiben, wissend, dass es aktuell nur eine Momentaufnahme ist. Der Trainer ist neben dem Taktischen und Athletischen auch dafür zuständig, dass das Team die Bodenhaftung bewahrt, um den Erfolg einzufahren. Das gelingt bisher hervorragend.
db24: Wie sehen Sie den engen Aufstiegskampf in der Dritten Liga?
Du musst die gesamte Saison über Leistung bringen, konstant sein. Das wird der Schlüssel sein. Schwächephasen kannst du dir keine erlauben. Es gibt großartige Mannschaften in dieser Liga, die aufsteigen wollen. Ich denke da neben Sechzig und Ingolstadt auch an Wiesbaden und Osnabrück.
db24: Sie haben eingangs gesagt, dass in Sachen Legendenspiel noch niemand von Sechzig auf Sie zugekommen ist. Mit wem haben Sie denn noch Kontakt aus dem Verein?
Mit Jan Mauersberger, da ich einmal in seinem Podcast zu Gast war. Gorenzel war mein Co-Trainer, mit ihm habe ich auch ab und zu Kontakt. Ich war einmal beim Training und habe dort auch Michael Köllner kennengelernt. Wenn ich im Stadion bin, treffe ich immer wieder alte Weggefährten. Wenn man lange während einer so schönen Zeit für den Verein gespielt hat und auch noch in München wohnt, ist das natürlich ein Klub, den man immer gerne verfolgt und unterstützt.