VON OLIVER GRISS

Geil. Geil. Geil.

Das WM-Finale 2022 mit dem Happyend-Sieg von Argentinien im Elfmeterschießen war für mich der krönende Abschluss einer fantatischen Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, die viele Deutsche boykottieren wollten und vielleicht auch haben. Was für ein Endspiel, was für eine Dramatik, was für eine Kunst - und vor allem: was für ein Genuß. Jeder, der dieses Spiel verpasst hat, wird es bereuen.

Argentinien, das mit einem peinlichen 1:2 gegen Saudi-Arabien ins Turnier gestartet war, ging auch im Finale gegen Titelverteidiger Frankdurch durch Himmel und Hölle: Erst eine vermeintliche beruhigende 2:0-Führung, dann durch Kylian Mbappes Doppelpack 2:2 - und 3:3 nach Verlängerung. Im Elfmeterschießen war dann Argentinien cleverer und effizienter - und Super-Star Messi durfte erstmals in seiner Laufbahn den WM-Pokal präsentieren. Mit 35 Jahren ist er am Ziel seiner Träume. Was für ein genialer Moment für diese großartige Legende. Diego Maradona wird im Himmel getanzt haben - und Messi wird in seinem größten Moment bestimmt an Diego gedacht haben.

Was bleibt hängen - und vor allem: Was kann der deutsche Fußball von diesem herzzerreißenden Finale lernen? Taktik, herausragende Einsatzbereitschaft, großartige Mentalität, grenzenlose Begeisterung, überdurchschnittliche Technik und unerbitterlicher Fleiß haben dieses Endspiel zu einem der besten aller Zeiten gemacht, über das man noch lange reden wird. Diese 120 Minuten inklusive Elfmeterschießen sind eine grandiose Lehrdokumentation für jeden, der Fußball liebt.

Und es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass mit Frankreich und Argentinien zwei Mannschaften im Finale standen, die sich ausschließlich auf den Sport konzentrierten und die WM-Bühne nicht für politische Zwecke missbrauchten. Überhaupt sollte Deutschland es künftig unterlassen, mit dem Finger auf andere Nationen zu zeigen, sondern sich selbst hinterfragen, warum und weshalb uns andere Länder - nicht nur im Sport - überholt haben. Die DFB-Auswahl ist zurecht nach der Vorrunde ausgeschieden. Es interessiert auch nicht, ob sie laut Statistik die meisten Torchancen hatte. Denn auch hier zählt ein alter Spruch: Entscheidend ist auf’m Platz.

Und auf dem Platz sind die deutschen Nationalspieler schon längst nicht mehr das, was sie einst stark gemacht hat, sondern teilweise selbstverliebte Superstars, die mehr auf ihre Social Media-Reichweite achten als auf eine gepflegte Technik und Übersicht. Der letzte deutsche Spieler, den ich aufgrund seiner Werte geschätzt habe, war Bastian Schweinsteiger. Ein Arbeiter - und überdurchschnittlicher Fußballer mit einer geringen Fehlerquote. Zurecht wurde er 2014 zum Helden von Rio - und Hauptdarsteller. Unvergessen, als er sich blutüberströmt über den Platz schleppte und am Ende den Pokal in den Himmel streckte. Solche Typen braucht die deutsche Mannschaft wieder, keine Mitläufer und Ja-Sager, sondern Gestalter und Macher. Im Sport, aber auch in der Politik und Wirtschaft.

Nur wenn der DFB das WM-Scheitern von Katar richtig aufarbeitet und vor allem die Jugendarbeit intensiviert, wird man irgendwann auch wieder Früchte ernten können. Für die EM 2024 sollte man sich nicht allzu große Hoffnungen machen.