VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Die letzten Monate bei 1860 wird man so schnell nicht vergessen: Sie waren die turbulentesten Tage seit dem Jahrhundertabstieg 2017. Und offenbar sind die Ambitionen an der Grünwalder Straße 114 auch deutlich gesunken, wenn man das Wirken der letzten Wochen genauer unter die Lupe nimmt: Stolze 17 Abgänge - bei sechs Zugängen - haben die Löwen mittlerweile zu verzeichnen. Vom Aufstieg spricht man längst nicht mehr bei den Löwen. Der Kader ist noch nicht wettbewerbsfähig und auch ein Sportchef ist weiter nicht in Sicht, auch wenn Ex-Kapitän Stefan Lex die naheliegendste Lösung ist. Der frühere Bundesliga-Profi besitzt einen Anschlussvertrag. Eine große Lösung wie Thomas Hitzlsperger oder Horst Heldt - auch für die Außenwirkung - wäre zwar wichtig, aber ist vermutlich finanziell nicht zu stemmen.

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Klar, die Löwen haben einen Monat vor Saisonstart trotz Preissteigerung wieder 11.100 Dauerkarten abgesetzt und auch der Mitgliederstand ist hoch wie nie: 26.000 Menschen unterstützen mit ihren Beiträgen den Giesinger Traditionsverein. Rund 1,3 bis 1,5 Millionen Euro dürften so in den Jugend-Fußball investiert werden können. Und doch wird der Unmut und das Unverständnis im Umfeld immer größer: Hat man sich mit seiner Rolle auf dem Weg zum Drittliga-Dino abgefunden? Hat man keine Ziele mehr? Ist der 2017 eingeläutete Reisinger-Kurs noch der richtige?

Mitgliederversammlung am 9. Juli: Stehen Sie noch hinter dem Kurs von Präsident Robert Reisinger?

Umfrage endete am 15.07.2023 11:00 Uhr
Nein!
86% (5665)
Ja - bedingungslos!
14% (935)

Teilnehmer: 6600

Die Löwen können ihr zweifelsohne großes Potential nicht abrufen - weil man sich weiterhin selbst im Weg steht. Im Mittelpunkt: Präsident Robert Reisinger. Sechs lange Jahre ist der 59-Jährige nun im Amt, seine Politik ist fragwürdig und sorgt dafür, dass es mehrere Lager bei 1860 gibt. Es wird immer deutlicher: Reisingers Weg wird nicht von Erfolg gekrönt sein, auch weil die Profifußball-Abteilung weiterhin ein defizitäres Geschäft ist. Die 2017 verkauften Märchen, dass das Grünwalder Stadion eine Goldgrube ist, wurden von Geschäftsführer Marc Pfeifer höchstselbst entkräftet.

Ist Reisinger mit seinem Latein am Ende? Der e.V.-nahe Merkur-Reporter Uli Kellner schrieb in der Montagsausgabe des Blattes: “Präsident Reisinger wirkt amtsmüde und in seine Arbeit als Unternehmensberater vertieft.” Hat Reisinger nicht mit der Ausdauer von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik gerechnet?

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Fakt ist: Reisinger, der sich selbst vor einiger Zeit bei einer AZ-Veranstaltung als “positiver Hooligan-Präsident” bezeichnete, hat sich seit dem Start der Sommervorbereitung noch kein einziges Mal bei der Profi-Mannschaft sehen lassen: Weder bei den Testspielen noch im Trainingslager in Windischgarsten. Im Vorjahr war das noch anders. Dagegen war Reisinger Augenzeuge beim Hachinger Drittliga-Aufstieg gegen Energie Cottbus.

Nach db24-Informationen halten sich hartnäckig die Gerüchte, dass sich der 1860-Verwaltungsrat, im übrigen das mächtigste Gremium des Klubs, am vergangenen Wochenende im Starnberger Hotel “Vier Jahreszeiten” getroffen hat. Ob es eine kurz vor der Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag turnusmäßige Klausurtagung war oder die Inhalte der Tagesaktualität geschuldet waren, ist nicht bekannt.

Sicher ist nur: 1860 kommt mit der praktizierten und von Anfang an wenig durchdachten Reisinger-Politik keinen Zentimeter vom Fleck. Mit der Investorenseite herrscht seit dem Köllner-Aus wieder Eiszeit, auch wenn der KGaA-Aufsichtsratsvorsitzende Saki Stimoniaris am Freitag bei einem Pressegespräch im Dilly-Hotel bemüht war, Einigkeit zu demonstrieren. Wie lange kann der Verwaltungsrat, der nach dem Cassalette-Rückzug 2017 Reisinger zum Ober-Löwen bestellt hat, diese verhärteten Fronten noch verantworten? Die Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag im Zenith wird Aufschluss darüber geben, ob der Verwaltungsrat um Sascha Königsberg, Sebastian Seeböck, Nicolai Walch & Co. noch geschlossen hinter diesem Kurs steht. Somit wird die Veranstaltung doch interessanter als zunächst vermutet. Und obendrein geht es um die Möglichkeit, künftig eine Online-Wahl durchführen zu können.