VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Es rumorte im Hintergrund: Gibt Robert Reisinger (59) als Löwen-Boss auf? Hat er noch alle Funktionäre hinter sich im e.V.? In der Mitgliederversammlung des TSV 1860 am vergangenen Sonntag drehte der 59-jährige Ober-Löwe auf und wischte alle Gerüchte vom Tisch - und sprach über die Erfolge der Fußball-Firma in punkto steigende Sponsoren-Einnahmen, Steigerung der Partner, Vollauslastung Grünwalder Stadion und die jährliche Verbesserung des Sport-Etats. Für die Dritte Liga reicht’s - aber für mehr? Das sind Reisingers wichtigste Aussagen:

die Entwicklung der Löwen unter seiner Regie: “Wenn ich höre, seit Reisinger herrscht bei 1860 Stillstand, dann kriege ich einen Vogel!…Die Wahrheit ist ganz einfach: Wir bezahlen heute noch für die Unvernunft vergangener Tage. Ich bin glücklich, wie sich der Verein in den letzten sechs Jahren entwickelt hat unter dem Präsidium Sitzberger, Schmidt, Reisinger. Ihr seid die Herzkammer des Vereins!”

eine weitere mögliche Etatsteigerung für den Profikader: “Das ist ein alljährlich wiederkehrendes Schauspiel der öffentlichen Diskussion, also wieviel Geld kann die KGaA in die kickenden Beine investieren? Entschieden wird diese Frage letztlich im Aufsichtsrat der KGaA auf Basis der Prognose des Geschäftsführers. Der e.V. - also wir - trägt im Bereich der Nachwuchsförderung einen erheblichen Teil der finanziellen Entlastung bei…Wenn das Sportbudget gesteigert werden soll, um das Ziel Aufstieg schneller zu erreichen, ist das durchaus möglich: durch Sponsoring unseres Mitgesellschafters, Transfererlöse oder eine Kapitalerhöhung. Wir als Vereinsvertreter sind zu allem bereit.”

seinen Rüffel an die Geschäftsführung: “Wenn Hasan Ismaik in sein eigenes Unternehmen investiert, ist das keine Schenkung. Seit ich das in einem Wutanfall gegenüber der Geschäftsführung moniert habe, wird dort beiden Gesellschaftern gedankt. Es heißt immer, dass Ismaik mit seiner Finanzspritze die Saison sichert. Haben Sie jemals Schlagzeilen über den Verein gelesen? Nein! Wir lassen uns nicht in der Öffentlichkeit abfeiern…Die Wahrheit ist ganz einfach: Wir bezahlen heute noch für die wirtschaftliche Unvernunft der vergangenen Tage. Sein Investment kostet unserem Mitgesellschafter aktuell so wenig wie noch nie.”

Welche Note geben Sie der Entwicklung des TSV 1860 von 2017 bis heute?

Umfrage endete am 26.07.2023 08:00 Uhr
Note 5
33% (1681)
Note 6
31% (1581)
Note 4
15% (773)
Note 3
10% (488)
Note 2
5% (269)
Note 1
5% (248)

Teilnehmer: 5040

den Konsolidierungskurs: “Die Schulden haben sich in den vergangenen fünf Jahren nicht erhöht. Wegen der geforderten Verbesserung der Eigenkapital-Quote sind sie sogar gesunken. Ursächlich dafür ist die jährliche Wandlung der Kredite unseres Mitgesellschafters in Genussrechte. Das Genussrecht ist allerdings eine Hybridform zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Fremdkapital deshalb, weil auch Genussrechte von der KGaA irgendwann zurückbezahlt werden müssen. Eigenkapital insofern, weil es im Erfolgsfall der KGaA partizipiert…Die Konsoldierung in den vergangenen fünf Jahren war ganz klar erfolgreich. Sie deckt auch absolut die Interessen unseres Mitgesellschafters. Der Spielbetrieb kostet HAM seit 2017 so wenig wie noch nie.”

die 50+1-Regel bei 1860: “Sie soll ihrem Zweck nach verhindern, dass durch mögliche Handlungen eines Investors ein Klub in seinem Bestand gefährdet ist. Bei uns hat das in der Vergangenheit nicht richtig geklappt. Die KGaA ist heute weitaus höher verschuldet als sie vor dem Einstieg unseres Mitgesellschafters war. Das muss man nüchtern konstatieren. In der Praxis haben wir im Präsidium vom Sommer 2017 bis heute in genau zwei Einzelfällen von der Richtlinien-Kompetenz 50+1 aktiv Gebrauch gemacht. Das war zum einen bei der Einstellung des Sanierungsexperten Markus Fauser als Interimsgeschäftsführer und bei der Ernennung seines Nachfolgers Michael Scharold. Ich betone: Alle anderen Entscheidungen wurden zwischen den Gesellschaftern im Konsens und gemeinschaftlich - im Aufsichtsrat und Beirat - entschieden. Die Behauptung, wir würden als Vereinsvertreter mit 50+1 stark durchregieren und dem Mitgesellschafter wenig Gestaltungsspielraum einräumen, hat keine Grundlage. Die Vertreter von HAM waren und sind immer an alle Entscheidungen beteiligt. Dass Entscheidungen in der Vergangenheit länger gedauert haben, dann lag das meist daran, dass die Vereinsvertreter im Rahmen ihres Mandats unmittelbar entscheidungsbefugt sind, nicht aber die Vertreter unseres Mitgesellschafters. Sie müssen etwaige Themen und Vorgänge erst nach Abu Dhabi transportieren und auf eine entsprechende Weisung warten…Ich werde oft von den Vereinsmitgliedern gefragt: ‘Warum setzt ihr das nicht mit Verweis auf 50+1 durch?’ Wir können ein Instrument wie 50+1 nicht beliebig oft anwenden. Das wäre kontraproduktiv für die Zusammenarbeit. Es sollte immer nur das letzte Mittel, wenn keine Einigkeit ausbleibt. In der Regel verständigen wir uns im Dialog, auch wenn es ab und zu knirscht.”

seinen Realitätscheck: “Zwischen den Spielzeiten 2017 und 2023 konnten wir Erlöse aus Sponsoring von 1,54 Million Euro auf 3,9 Millionen Euro gesteigert werden. Die Anzahl der Partnerschaften stieg von 144 auf 225 und im gleichen Zeitraum wurden immer mehr Dauerkarten verkauft. Waren es 2019 noch 9103, konnten in der vergangenen Saison 11.860 Dauerkarten erzielt werden. Dadurch war es möglich, den Sportetat Jahr für Jahr zu steigern. Das alles trotz ungünstigster Voraussetzungen.”

den Kooperationsvertrag: “Auch so ein Mysterium im Umfeld des TSV 1860. Der Kooperationsvertrag regelt die Zusammenarbeit der Gesellschafter. Im Jahr 2017 wollten Mitglieder diesen gekündigt sehen und haben auf der Mitgliederversammlung 2017 einen entsprechenden Antrag abgegeben. Wie Sie wissen, hat der Verwaltungsrat nach einer gründlichen Prüfung abgeraten. Noch heute sehen Mitglieder dies als Verrat. Die Kündigung des Kooperationsvertrages hätten an den bestehenden Besitzverhältnissen nichts verändert. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten wären nicht mehr definiert gewesen. Das hätte für uns mehr Nach- als Vorteile gebracht. Ein Vorteil ist, dass wir das Rückkaufsrecht der Anteile hätten, sollte Herr Ismaik die Absicht haben, die Anteile mal zu verkaufen.”

die Sportdirektoren-Frage: “Nach dem Weggang von Günther Gorenzel in seine Heimat braucht 1860 einen neuen sportlichen Leiter. Ich habe mich intern dafür ausgesprochen, eine starke Persönlichkeit zu installieren. Aus verschiedenen Gründen hat die Nachfolge länger gedauert als mir lieb war. Die interne Debatte hat bald ein Ende. In Kürze sollte 1860 wieder einen sportlichen Leiter von Format haben.”

sein Bauchgefühl bei Michael Köllner: “Ich ärgere mich über mich selbst. Als im letzten Herbst die sportliche Krise nicht mehr zu leugnen war, hatte ich ein Gespräch mit Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel, der mir sehr klar und analytisch seine Sicht der Dinge schilderte. Er hat mich überzeugt, dass Trainer Michael Köllner den Turnaround schaffen wird. Aus dem Grund habe ich mich öffentlich für Köllner ausgesprochen, obwohl mir mein Bauchgefühl etwas anderes sagte. Dann kam das überteuerte Winter-Trainingslager, die Mißtöne wurden immer mehr, und mich erreichten irritierende Nachrichten aus der Mannschaft und ich wusste, ich hätte besser auf mein Bauchgefühl hören und im Herbst eine Trennung forcieren sollen. Das habe ich aber nicht getan. Mit einem neuen Trainer hätten wir eine reelle Aufstiegschance gehabt - der Kader war stark genug.”