VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Nein, der TSV 1860 braucht sich für seine vorbildliche Arbeit in den letzten Jahren in der Nachwuchsförderung nicht angesprochen zu fühlen: Auch nach der abgelaufenen Saison waren die Löwen wieder der Drittliga-Verein, der den größten Beitrag aus dem Jugendfördertopf des DFB eingestrichen hat - über 475.000 Euro. Und es ist der Plan der Löwen, auch in dieser Saison dem ein oder anderen Talent das Vertrauen zu schenken. Beim 2:0-Auftaktsieg gegen Waldhof Mannheim kam Tim Kloss (19) mit einem Kurz-Einsatz zu seiner Drittliga-Premiere.

Aber es gibt andere Beispiele, wie sich Hachings Präsident Manni Schwabl wenige Stunden nach dem großen Pokal-Triumph des Drittliga-Aufsteigers über Erstligist Augsburg (2:0) in der TV-Kultsendung “Blickpunkt Sport” echauffierte: “Wenn in der Dritten Liga weniger als fünf Prozent deutsche Nachwuchstalente auf dem Platz stehen, dann frag ich mich, warum wir diese Liga überhaupt haben. Manchmal schäme ich mich, im Fußball aktiv zu sein.”

Seine Prognose für die Zukunft des deutschen Fußballs in puncto Nachwuchsförderung ist düster: “Wir müssen in die nächsten fünf Jahre schauen. Da wird mir Angst und Bange, wenn man sieht, was in den ersten drei Ligen passiert.” Gleichzeitig bemerkt er, dass das Thema Nachwuchsförderung weiterhin noch viel zu wenig Beachtung finde. “Es ärgert mich maßlos, dass das keinen interessiert.”

Schwabl, früherer Bundesliga-Kapitän des TSV 1860, wünscht sich “einen runden Tisch”, an dem sich alle Parteien “ohne Eitelkeiten” zusammensetzen. Die Fehler in der Nachwuchsförderung sieht Schwabl nicht nur beim DFB, sondern bei allen Beteiligten. “Das ist ein Konglomerat von allen. DFB genauso wie die DFL und wir Vereine oder wir Vorstände.” Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, den deutschen Fußball in die richtige Richtung anzustoßen. “Wenn wir so weitermachen, dann können wir den Laden bald zusperren.”

Deswegen wünscht sich Schwabl für die Vereine noch mehr “finanzielle Anreize”, damit die Klubs nicht mehr wegschauen können, sondern die Jugendförderung mitgestalten. Das Problem sei für Andreas Rettig, früherer DFL-Geschäftsführer, die Gemächlichkeit im deutschen Fußball. “Da werden Konzepte angefangen zu diskutieren im Februar 2018. Da war noch Herr Grindel Präsident. Mittlerweile haben wir, nachdem Herr Keller von Bord gegangen ist, den dritten DFB-Präsidenten, der an dem gleichen Konzept beteiligt ist. Wir brauchen fünf Jahre von dem Entstehen der Ideen und der Diskussion bis zur Umsetzung. Das ist abenteuerlich.” Andere Nationen seien in dieser Hinsicht “viel schneller und beweglicher”.

Der deutsche Fußball ein Spiegelbild der Gesellschaft?