VON OLIVER GRISS

Würde 1860 für seine Eskapaden, in der meist die eigenen Funktionäre die Hauptrolle spielen, Eintritt verlangen, würde der Vereinssäckel prall gefüllt sein. Seit 34 Jahren berichte ich über diesen Verein, aber so peinlich berührt wie jetzt war ich noch nie.

Die Rückblende: Vergangenen Freitag in der VIP-Alm. 1860-Geschäftsführer Marc Pfeifer spricht über seinen Wunschkandidaten Dr. Christian Werner für den Posten des Sportchefs bei den Blauen: “Es gibt einen Kandidaten. Das war kein Alleingang. Die Entscheidung habe ich nicht alleine getroffen. Die zwei Vize-Präsidenten und der Aufsichtsratsvorsitzende waren bei dem Prozess dabei. Und hatten da in der Runde auch Einigkeit. Von daher war das eine Gemeinschaftsarbeit.”

Hat Pfeifer nicht die Wahrheit gesagt? Weder Hans Sitzberger noch Heinz Schmidt, die ebenfalls in der Almhütte Platz genommen hatten, dementierten vor Ort die pfeifersche Darstellung beim Fantalk - wenige Tage später meldet sich nun aber Schmidt, der in vielen Casting-Gesprächen mit Kandidaten zuvor mit am Tisch saß, und sagt nun in einem Interview gegenüber dem “Wochenanzeiger”: “Ich plädiere wie der gesamte Verein für die Bestellung eines zweiten Geschäftsführers. Das Vier-Augen-Prinzip hat sich bewährt und ein zweiter Geschäftsführer kann auch Marc-Nicolai Pfeifer entlasten. Zuständig für die Bestellung eines Geschäftsführers ist der Beirat. Dieses Verfahren gilt es abzuwarten.”

Was denn jetzt? Über Wochen und Monate trifft sich der beauftragte Pfeifer in Abstimmung mit dem e.V. mit potentiellen Kandidaten für die vakante Rolle des Sportlichen Leiters (es fanden mindestens vier Vorstellungsrunden statt) - und jetzt will der e.V. doch keinen Sportchef, sondern einen Geschäftsführer Sport? Und plötzlich spricht Schmidt wieder von Einigkeit im Präsidium und dass Reisingers Formatlösung (Horst Heldt) doch der erklärte Favorit ist? Warum hat sich Hans Sitzberger dann von Reisinger distanziert und sich ganz klar zu Pfeifer bekannt? Passt das alles noch zusammen?

Die Giesinger Widersprüche. Es leidet nur einer darunter: Der großartige Löwe.

Worum geht es dem e.V. eigentlich? Um das eigene Ego? Um Macht? Warum werden ständig die Transferaktivitäten der Löwen hinterfragt, ohne Beweise für ein Fehlverhalten liefern zu können? Können die ehrenamtlichen e.V.-Funktionäre, die allesamt keine Fußball-Kompetenz besitzen, nicht die Arbeit von Pfeifer und Trainer Maurizio Jacobacci loben? Beide verzichteten in der Sommerpause auf ihren Urlaub, damit der TSV 1860 eine wettbewerbsfähige Mannschaft auf den Platz bekommt, weil die Vorarbeit aufgrund des zunächst kalkulierten Budgets vorerst nicht möglich war. Das Sportchef-Vakuum haben nicht Pfeifer oder Jacobacci vermasselt, sondern einzig und allein die Führungsriege. Was soll sich die Mannschaft, die sich gerade deutlich im Aufwind befindet, über diesen Zirkus denken? Oder die Sponsoren-Landschaft, die mit Verwunderung auch die von Präsident Reisinger ins Rollen gebrachten Vorwürfe gegen Geschäftsführer Pfeifer (Transfergebaren) vernommen hat? Warum ist das Verhältnis zwischen Reisinger und Pfeifer, den er einst gecastet hat, kaputt?

Interessant auch: Schmidt kritisierte auch, dass die HAM-Seite ankündigte, die Kandidaten der e.V.-Seite kategorisch abzulehnen: “Mich hat die Haltung unseres Mitgesellschafters schockiert. Das entspricht nicht meiner Vorstellung von Kooperation.” Es ist zwar jetzt nicht das Thema, aber das wird sich Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik auch denken, wenn er an die provokante Vertragsverlängerung von Günther Gorenzel denkt und das obwohl dieser schon “durch war” bei 1860 - oder den unabgesprochenen Rauswurf von Trainer Michael Köllner. Das sind aber nur zwei Beispiele. Und dann sind wir wieder bei der eingeforderten Kooperation von Schmidt.

Und nochmal zur ganzen Aufklärung: Der e.V. braucht die HAM-Seite prinzipiell nicht für Personalentscheidungen in der KGaA - mit Hilfe von 50+1 kann der Mutterverein jede Entscheidung nach seinem Gusto durchziehen. Die Frage ist nur: Wie wird der Spaß finanziert? Übers Geld wird im KGaA-Aufsichtsrat entschieden.