VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Meppen - ja, da war doch was? Am 11. Juni 1994 - also heute vor 30 Jahren - kehrte der TSV 1860 nach 13 Jahren wieder in die Bundesliga zurück. Es war ein Durchmarsch, wie es ihn zuvor im deutschen Fußball noch nie gegeben hat. Einer, der maßgeblich am Aufstieg beteiligt war, heißt Bernhard Winkler. Er war der kongeniale Partner von Gold-Torschütze Peter Pacult. Das db24-Interview mit dem früheren Löwen-Kapitän, der in der Bundesliga-Torschützenliste des TSV 1860 nur von Rudi Brunnenmeier übertroffen wird:

db24: Heute jährt sich zum 30. Mal das Wunder von Meppen - wie haben Sie das damals erlebt?

BERNHARD WINKLER: “Ich wollte mit dem Profifußball eigentlich schon aufhören und dann habe mit 1860 das erleben dürfen - das war wunderbar. Wir waren nicht die beste Mannschaft in der Zweiten Liga, aber wir waren ein Team, das zusammengehalten hat - und mit Werner Lorant einen überdurchschnittlichen Trainer hatte. Wir haben alles dem Erfolg untergeordnet - und bei Werner war es auch nicht immer lustig. Der Erfolg in Meppen war ein Sinnbild unserer Leidenschaft, die Peter Pacult mit dem 1:0 und dem damit verbundenen Aufstieg gekrönt hat.

db24: Beim TSV 1860 wurden die “Helden von Meppen” offenbar vergessen…

Ja, das ist schade. Aber ich habe sowieso nicht damit gerechnet, dass irgendeine kleine Feier zu unserem 30-Jährigen von Vereinsseite organisiert wird.

db24: Die Löwen haben seinerzeit etwas geleistet, was heute undenkbar ist: Wie sehen Sie den Verein aktuell?

Platz 15 in der Dritten Liga - das sagt eigentlich alles aus. Ich hoffe, dass keiner der Verantwortlichen oder Spieler meint: “Was wollt ihr eigentlich? Wir haben den Klassenerhalt geschafft!” Die vergangene Saison war eine einzige Verfehlung. Zu meiner Zeit gab es bei 1860 immer nur ein Ziel: Aufzusteigen! Wenn du das nicht geschafft hast, dann hast du bei 1860 verloren. Ich hoffe, das wird irgendwann allen bewusst, welche Verantwortung sie bei diesem Verein eingegangen sind. Ich bin schon gespannt, welche Ziele vor der nächsten Saison formuliert werden. Ich sehe aber keine Kontinuität bei der Mannschaft: Gefühlt gibt es fast jedes Jahr einen Neuanfang. Das macht es nicht einfacher.

db24: Lassen Sie uns über die Stürmer der Löwen reden, über Fynn Lakenmacher, der den Verein nun in Richtung Darmstadt verlässt…

Ich muss sagen: Ich fand den Spieler immer interessant. Vor einem Jahr habe ich gesagt, wenn man mit ihm richtig trainiert, dann traue ich dem 10 bis 15 Tore in der Dritten Liga zu. Leider hat man bei 1860 nicht das Spiel auf ihn zugeschnitten. Deswegen bin ich gespannt, wie er sich in Darmstadt entwickelt. Wenn er das richtige Training bekommt, kann Lakenmacher auch in der Zweiten Liga glänzen.

db24: Mansour Ouro-Tagba ist auch so ein Juwel…

Richtig! Auch ihn konnte man nicht halten. Er ist sehr schnell, hat ein gutes Dribbling mit erstaunlichen Tricks. Dass du ihn nicht halten kannst, liegt einfach auch daran, dass du nur ein Drittligist bist. Deswegen ist es umso wichtiger aufzusteigen: Dir bringt die ganze Jugendarbeit nichts, wenn du selbst davon nichts hast…

db24: Zumindest hat 1860 jetzt einen Namen verpflichtet, der Ihnen bestens bekannt sein dürfte: Hobsch - Patrick Hobsch!

Ja, der Kleine von Bernd Hobsch (lacht): Ich finde die Verpflichtung wirklich gelungen. Und das sage ich nicht, weil ich mit seinem Vater bei 1860 zusammen gespielt habe. Er hat in den letzten Jahren gezeigt, dass er für jedes Team eine Bereicherung sein kann. Es gibt schon gewisse Parallelen zu seinem Vater: Bernd war unheimlich effektiv, war schnell und bullig und hat einen unglaublichen Torriecher gehabt. Das zeichnet auch seinen Sohn aus. Für mich hat 1860 mit diesem Transfer ein gutes Geschäft gemacht.

db24: Am Sonntag wählt der TSV 1860 seine Zukunft, der Verwaltungsrat kann neu aufgestellt werden.

Meine Hoffnung ist, dass sich am Sonntag alles zum Vorteil von 1860 ändert. So wie bislang, darf es einfach nicht mehr weitergehen. Ich finde es positiv, dass sich u.a. Kandidaten vom Bündnis Kandidaten zur Verfügung stellen, die was auf dem Kasten haben. Und dann gibt es noch die andere Seite, die sich gegen eine positive Veränderung und eine Weiterentwicklung des Klubs sperrt. Sie wehren sich mit Haut und Haaren. Das ist legitim, aber ob’s Sechzig hilft, das kann sich jeder selbst beantworten. Die letzten sieben Jahre waren ja nicht unbedingt von Erfolg gekrönt, auch wenn das manche glauben. Es gibt nur eine Chance für 1860: Die Zusammenarbeit mit Hasan Ismaik. Das ist die einzige Chance, nach vorne zu kommen.

db24: Vor vielen Jahren wollten Sie mit dem “Team Profifußball” selbst in den Verwaltungsrat - wie haben Sie die Nichtnominierung und die 0:9-Pleite im Zenith damals wahrgenommen?

In erster Linie war ich sehr enttäuscht, wie ich von einer Gruppe diffamiert worden bin. Ich weiß gar nicht, ob sie sich mit meiner Person auseinander gesetzt haben, wer ich bin, was ich für 1860 getan habe. Mir wurde der Stinkefinger entgegen gesetzt - das habe ich nicht erwartet. Vielleicht war ich zu blauäugig. Mittlerweile sind Jahre vergangen. Es ist nicht schön, dass man in dem Verein, wofür man soviel Herzblut hat, so angegangen wird. Diese Stimmungsmache ist scheinbar die große Hürde bei 1860. Man braucht einen langen Atem, den ich allen Verwaltungsratskandidaten wünsche.

db24: Sie hatten damals Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik verteidigt, dass er nicht der Grund für den Zweitliga-Abstieg gewesen ist.

Dazu stehe ich auch heute noch. Ismaik hat das Geld gegeben. Die Schuld hatte Vitor Pereira, dass wir abgestiegen sind. Er allein hätte es regeln könne. Aber seine Entscheidungen waren teilweise nicht nachvollziehbar - und ich war damals als Teammanager ganz nah an der Mannschaft. Natürlich hat Ismaik Pereira verpflichtet, aber ein Investor kann nichts dafür, dass es sportlich nicht läuft. Ich finde es übrigens gut, dass Ismaik seit Wochen in München ist und sich bei den Fans sehen lässt. Das ist die Basis. Man braucht wieder ein Miteinander.

db24: Ein Miteinander ist aktuell schwer vorstellbar, zumindest mit den aktuellen Funktionsträgern. Und dann kommt auch noch dazu, dass die letzten sieben Jahre wenig erfolgreich waren…

So ist es: Der e.V. hat es sieben Jahre in der Hand gehabt, 1860 erfolgreich aufzustellen. Das müssen sie sich ankreiden lassen. Das kommt viel zu kurz in der Berichterstattung. Man wehrt sich immer nur gegen Ismaiks Ideen, ohne selbst einen Plan und Geld zu haben. Das ist engstirnig. Ohne Geld steigst du nie im Leben auf, auch wenn Ulm und Elversberg das Gegenteil bewiesen haben…