VON OLIVER GRISS

Die neue Saison hat noch gar nicht begonnen - und schon kassierte 1860 die erste schmerzhafte Niederlage. Sie fiel äußerst heftig aus: Mit 0:9 verliert die mögliche Löwen-Zukunft mit klugen Köpfen aus der Wirtschaft (gemeint ist hier explizit nicht der Giesinger Garten oder der ehemalige Trepperlwirt) gegen ein Sammelsurium aus Stadion-Fetischisten, 50+1-Kämpfern und erklärten Gegnern von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik. Es ist demokratisch, dass diese Seite auch dieses Mal mehr Mitglieder mobilisieren konnte.

Was aber viele nicht registrieren: Hasan Ismaik kann nicht gewählt werden. Er ist Teil des TSV 1860. Deswegen ist es auch keine Niederlage für den Jordanier. Er spart sich Geld. Was gut ist: Er lässt sich nicht vertreiben. Auch Hans Sitzberger, der gedemütigte ehemalige Vize-Präsident, lässt sich nicht ausgrenzen. Von keinem. Das größte Glück für die Ist-Löwen: Die überregionalen Medien interessieren sich kaum noch für den Altmeister von 1966, sonst würde die Aufklärung wesentlich ausfallen.

Fakt ist: Der schwarze Sonntag wirft den einst so ruhmreichen TSV um Jahre zurück. Mangels Perspektive und Einsicht, dass man mit dem vor sieben Jahren eingeschlagenen Kurs keinen Erfolg haben kann.

Als dann kurz vor Mitternacht am Sonntag nach einem 13-Stunden-Marathon die Ergebnisse in der Zenith-Halle verkündet wurden, waren nur noch einige 100 Anhänger vor Ort: Es wurde hasserfüllt das sogenannte Scheichlied gesungen, eine Anti-Ismaik-Fahne gewedelt - ohne dass das Präsidium oder der Versammlungsleiter eingeschritten wäre. Das zeigt leider auch das hässliche Gesicht des TSV 1860. Schließlich sind es ja ihre Wähler. Wer glaubt, dass Konzerne mit solch gelebten Praktiken zu tun haben wollen, hat sich sauber geschnitten. Und auch die populistische Rede von Finanz-Geschäftsführer Oliver Mueller, die viele Mitglieder gar nicht mitbekommen hatten, weil sie noch nicht registriert waren, ist nicht nur unangebracht, sondern auch absolut kontraproduktiv. Man will sich gar nicht vorstellen, hätte dies ein Ismaik-Vertreter von sich gegeben.

Siehe dazu auch die Aussagen von Bayerische-Vorstand Martin Gräfer oder 1860-Ikone Fredi Heiß.

Wieder einmal kurz gedacht, Löwen!

Dass wenige Stunden vor dem Showdown in München-Freimann Geschäftsführer Oliver Mueller bekanntgeben musste, dass der TSV 1860 in der Drittliga-Saison 2022/2023 ein Minus von 1,75 Millionen Euro geschrieben hat, das haben vermutlich die meisten der “Szene” wissentlich überhört.

Zur Aufklärung: Die Erlöse aus dem Grünwalder Stadion sind zu niedrig, um mit eigenen Kräften den Spielbetrieb und die Geschäftsstelle auf eine schwarze Null zu stellen. Das Grünwalder ist nicht rentabel - und wird es auch in den nächsten 100 Jahren für 1860 nicht werden, so schade es auch ist. Man braucht sich also nicht wundern, wenn die Geschäftsführung Oliver Mueller & Christian Werner demnächst den roten Stift an der Grünwalder Straße 114 ansetzen muss und Personal abbaut.

Zur kompletten Wahrheit gehört auch: Wochen vor der Mitgliederversammlung wurde ja immer wieder lanciert, dass die Löwen in Zukunft verstärkt auf den eigenen Nachwuchs setzen wollen. Prinzipiell ein guter Gedanke. Die Realität ist aber eine andere: Während sich 1860 in der Sommerpause viel Drittliga-Erfahrung von außen einkauft, verlassen die mühevoll Ausgebildeten München-Giesing. Niki Lang (21) wechselt nach Sandhausen, weil er nicht mehr gebraucht wird; Mansour Ouro-Tagba (19) wechselt ablösefrei zum 1. FC Köln - und auch Michi Glück wird vermutlich in den nächsten sieben Tagen dem Klub den Rücken zukehren. Er schätzt 1860, will aber in seiner Karriere etwas erreichen und wechselt nach db24-Informationen zu einem deutschen Erstliga-Klub. Immerhin gibt es für Glück noch eine saftige Ablöse - das ist aber auch schon der einzig positive Aspekt in dieser Personalie.

Was wird sich für Sie nach dem schwarzen Sonntag bei 1860 ändern?

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Dass der Fußball ein Wechselgeschäft ist, ist kein Geheimnis, aber die Löwen-Mitglieder haben es auch verdient, dass man ihnen nicht nur Luft verkauft.

Oliver Griss (Baujahr 1971) schreibt seit 1989 über den TSV 1860, u.a. 12 Jahre für die Münchner Abendzeitung. Seit 2011 betreibt der ausgebildete Sportredakteur das Portal dieblaue24, das in Deutschland bei den privat geführten Fußballseiten auf Nummer 2 liegt.