VON OLIVER GRISS UND CHRISTINA PAHNKE (SAMPICS)

Nein, der Frust über die Mitgliederversammlung des TSV 1860 ist noch längst nicht abgeklungen. Das spürt man im Trainingslager in Windischgarsten deutlich, wenn man in die Fans hineinhört. Die couragierte Leistung der Löwen am Dienstag in den ersten 45 Minuten gegen den österreichischen Erstligisten Blau-Weiß Linz kann die Gemütslage nicht mildern, zumal Geschäftsführer Oliver Mueller mit einem Interview im "Münchner Merkur" alte Wunden aufgerissen hat. Der 46-Jährige sprach über gewisse Themenfelder:

Finanzen: Der Etat wurde frühzeitig auf 4,5 Millionen Euro festgelegt und von beiden Gesellschafterseiten auch akzeptiert, nachdem Dr. Christian Werner schon vor Monaten gesagt hatte, er könne mit jedem Budget arbeiten. Mueller spricht von einer Restrukturierung, die allen “ein bissle” weh tun würde. Man habe den Kader von 31 Profis auf 24 bis 26 gekürzt. Mueller: “Wir sind bei den Gehältern um 20 Prozent runtergegangen, aber nicht nur da. Auch wir Geschäftsführer leisten einen Beitrag, indem wir auf Boni verzichten.” Und: “Lediglich 26 Prozent waren ein Personalthema. Es ist also mitnichten so, dass wir Leute entlassen, damit wir bessere Spieler kaufen können.” Das hat auch nie einer behauptet, weil das Sport-Budget beispielsweise nichts mit der geschrumpften Pressestelle zu tun hat. Mueller berichtet, dass man allein durch die Reduzierung der Tapeverbände “einen fünfstelligen Betrag” sparen könne. Mueller behauptet, dass 1860 teilweise “verschwenderisch mit den Ressourcen umgegangen” ist.

den neuen Biss des Löwen: Die viel diskutierte und belächelte Planeten-Präsentation (“Nummer 2 in Bayern bis 2029”) verteidigt Mueller auch im Nachgang: “Ich bereue die Aussage nicht. Ziele sind wichtig, auch große Ziele, um unseren Mitgesellschafter HAM zu zitieren. Lieber nehme ich mir den Mars zum Ziel und lande beim Jupiter, als dass ich den Mond anpeile und nicht aus der Welt rauskomme.”

sein denkwürdiger Auftritt auf der MV: Wenn Kult-Löwe Fredi Heiß an die Rede von Mueller denkt, dann schüttelt es ihn heute noch. “Das war Propaganda in Reinkultur”, wunderte sich der bald 83-Jährige gegenüber db24. Mueller sagt: “Das war eine Rede für die gesamte Geschäftsführung.” Und gegen das Bündnis Zukunft. Mueller: “Ich habe mich wie eine Löwenmutter von ihre Babys geworfen. Leute, die in Unkenntnis der Dinge auf uns rumtrampeln - das geht nicht. Ich habe es sechs Wochen im Wahlkampf akzeptiert. Jedes Mal mit einer Faust in der Tasche.” Eine interessante Sichtweise, die er indirekt Bayerische-Vorstand Martin Gräfer, seit acht Jahren Hauptsponsor des TSV, Unkenntnis bei 1860 vorwirft. Auch das berühmte Zirkus-Zitat (“Wenn der Clown in den Palast einzieht, wird er nicht zum König, sondern der Palast wird zum Zirkus”) bereue Mueller nicht. An eine schnelle Beendigung der Partnerschaft denke der Pfeifer-Nachfolger nicht: “Die Bayerische bleibt Partner. Wir haben einen bestehenden langfristigen Vertrag.” Bis 2027. Allerdings kann der Versicherer im nächsten Jahr von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen.

die seit Jahrzehnten quälende Stadionfrage: 1,6 Millionen Euro pro Saison zahlt der TSV 1860 Miete für das runtergekommene Grünwalder Stadion - zu viel. Mueller hat vor einiger Zeit ein Unternehmen beauftragt, das ermitteln soll, wie ähnlich fanstarke Clubs auf der Ertragsseite dastehen. Im Herbst will er Ergebnisse präsentieren. Kann er sich eigentlich sparen: 1860 hat einen Wettbewerbsnachteil von rund 1,5 Millionen Euro - weil Erlöse aus Namensrechten, Catering und Business Seats fehlen. Das wurde alles schon mal geprüft.