VON OLIVER GRISS

Lieber Herr Mueller,

mit Interesse habe ich Ihre Aussage in der “tz” gelesen, dass aufgrund der Restrukturierung des TSV 1860 Sie und Ihr Kollege Dr. Christian Werner freiwillig auf Geld verzichten. Das ist erst einmal eine gute Geschichte. Sie sagten: “Auch wir Geschäftsführer leisten einen Beitrag, indem wir auf Boni verzichten.”

Jeder gönnt Ihnen Ihr Salär, das mutmaßlich mit der e.V.-Führungsriege ausgehandelt worden sein muss. Aber Boni? Prinzipiell sollte es in der Geschäftswelt trotz 50+1 aber so sein, dass Boni-Zahlungen erst scharf werden können, wenn man zuvor etwas Außergewöhnliches geleistet hat. Wikipedia definiert: “Der Bonus ist ein zusätzlicher, in aller Regel variabler (einmaliger) Gehaltsbestandteil im Rahmen einer leistungsorientierten Vergütung, der üblicherweise an die Erreichung oder Übererfüllung von Unternehmenszielen (betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Umsatzerlöse oder Gewinne) anknüpft.”

Doch angesichts Ihres doch recht kurzen Arbeitsverhältnisses ist an so eine Sonderprämie derzeit sowieso nicht zu denken. Denn die Lage bei den Blauen ist schwierig bis prekär: 1860 schrieb in der Bilanz 2022/2023 einen Verlust von 1,7 Millionen Euro, die Sponsoren-Akquise könnte besser laufen - und nach Ihren Aussagen sogar bei den Tape-Verbänden für die Spieler gespart werden. Das ist allerhand. Früher waren es die Mietpflanzen am Trainingsgelände, die 50.000 Euro pro Saison verschlungen hatten und nach einem großen Reinemachen von Ex-Geschäftsführer Robert Schäfer gestrichen wurden - und jetzt wird angeblich “ein fünfstelliger Betrag” gespart, weil vor Ihrer Zeit laut eigenen Aussagen “verschwenderisch mit den Ressourcen” umgegangen worden sein soll. Dass Sie jeden Stein umdrehen, ehrt Sie, dass aber im Trainingslager in Windischgarsten kein Mannschaftsarzt dabei ist und mit Nick Wurian derzeit nur ein Physiotherapeut zur Verfügung steht, ist gewöhnungsbedürftig für einen ambitionierten Drittligisten, der bis 2029 die Nummer zwei in Bayern sein will. Auch dass der MAN-Bus kurz nach der Ankunft am Sonntag wieder zurück nach München gefahren ist, ist wohl Ihrem Rotstift zuzuordnen. Dabei sollte man wissen: Das Löwen-Gefährt ist eine der beliebtesten Werbeflächen der Sponsoren - auch für Hotel-Boss Horst Dilly, der natürlich mit dem Brand 1860 potenzielle Kunden anlocken will. Wie war das nochmal mit “Sechzig München zu verkaufen, ist nicht so schwer” (Robert Reisinger)?

Aber nun zurück zu Ihrem Boni-Verzicht: Die Vergangenheit an der Grünwalder Straße 114 zeigt, dass bei Vertragsverhandlungen sowieso eigene Gesetze gelten: So soll zum Beispiel zu Zweitliga-Zeiten der frühere Geschäftsführer Stefan Ziffzer in seinem Arbeitspapier eine Klausel ausgehandelt haben, die ihm bei einer erfolgreichen Lizenzerteilung eine Sonderzahlung garantierte.

Prämien sollten bei 1860 immer für Höchstleistungen bezahlt werden, im besten Fall für Aufstiege oder außerordentliche Sponsoren-Einnahmen. Aber nicht für das Tagesgeschäft.

Unverhandelbar: 1860 München bleibt ein besonderer Planet im bayerischen Profifußball…

Oliver Griss (Baujahr 1971, ausgebildeter Sportredakteur) schreibt seit 1989 über die Löwen, darunter auch 12 Jahre für die Abendzeitung München zu Bundesliga-Zeiten. Seit 2011 betreibt er das Portal db24.