VON OLIVER GRISS

Agis Giannikis ist durchwegs ein positiver Mensch, vielleicht ist der in Nürnberg geborene Grieche für das umkämpfte Profi-Geschäft sogar einen Tick zu lieb. [Nach dem 0:2 in Kaiserslautern, dem Abschluß der Vorbereitung,](https://www.dieblaue24.com/1860/30103-nach-dem-0-2-in-kaiserslautern-so-schaut-s-aus-sechzig) sagte der Löwen-Trainer gegenüber dem eigenen Vereinskanal: "70 Minuten haben wir es sehr ordentlich gemacht. Da war ich sehr zufrieden mit dem Auftritt. Wir haben ganz wenig zugelassen - 70 Minuten lang. Mit Ausnahme des Gegentors war es ein kontrolliertes Spiel von beiden Mannschaften. Mit den letzten 20 Minuten war ich gar nicht zufrieden."

Eine Analyse, die jedoch nur teilweise zutrifft: Natürlich verteidigte 1860 zunächst recht ordentlich, was allerdings auch daran lag, dass die zweitklassigen Lauterer (in der Vorsaison auf Platz 13) anfangs selbst nicht den richtigen Hebel fanden und ebenso wie die Löwen nicht ins letzte Drittel vorstoßen konnten. In der zweiten Hälfte änderte sich dies jedoch schlagartig, auch weil der Gastgeber die eigene Geschwindigkeit erhöhte und versuchte, die Räume zackig zu überspielen. 1860 hatte ab diesem Zeitpunkt kaum noch etwas entgegenzusetzen. Ein kontrolliertes Aufbauspiel beziehungsweise so etwas wie die Entwicklung von eigener Torgefahr war - wie in den vorangegangenen Spielen - nicht in Sicht.

Wenige Tage vor dem Liga-Start gegen Saarbrücken (Freitag) steht Giannikis nun wieder am Anfang: Obwohl die für die Dritte Liga eher untypische Spielidee Zeit, Geschick und Mechanismen benötigt (RB Leipzig praktiziert das System ab und an), konnten Giannikis’ Wunsch-Löwen in keiner einzigen Partie der Vorbereitung über die komplette Spielzeit zueinanderfinden - Pärchen hin oder her.

Da tun sich natürlich Fragen auf: Hat der TSV 1860 einen Fehler im neuen System 4-2-2-2?. Oder anders gesagt: Fehlt für diese durchaus anspruchsvolle Formation möglicherweise das richtige Personal? Viel zu selten kamen die Löwen in der Vorbereitung in den gegnerischen Strafraum. Auch die gewünschte Kopfballstärke im Offensivbereich kam nicht zum Tragen. Und was ebenfalls sofort aufgefallen ist: Neuzugang Fabian Schubert wird vermutlich keine schnelle Hilfe sein: Der Stürmer, der mit Erlaubnis verspätet in die Vorbereitung einsteigen durfte, hinkt den Ansprüchen deutlich hinterher. Der Österreicher, der in St. Gallen Publikumsliebling war, ist nach vielen Operationen kaum mehr wiederzuerkennen.

Sollte Giannikis, der bei seinen bisherigen Stationen eigentlich dafür bekannt war, seine Mannschaften in einem klaren 4-2-3-1 spielen zu lassen, an seiner neuen Variation selbst Zweifel haben, muss er gemeinsam mit seinem Trainerstab darüber nachdenken, wieder ins bewährte unkompliziertere System zu schlüpfen. Mit Julian Guttau (links) und Morris Schröter (rechts) hätte 1860 zumindest überdurchschnittliche Außenbahnspieler - und vielleicht entstünde bei einem Re-Start sofort wieder Druck auf dem Kessel - und ein Vollblut-Stürmer wie Patrick Hobsch, der dringend Bälle im Strafraum bräuchte, hätte dann wieder mehr Freude als zuletzt.

Einen Fehlstart gegen Saarbrücken will nämlich keiner bei Sechzig.