VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Nein, diesen Moment wollte sich Jesper Verlaat verständlicherweise nicht nehmen lassen. Als der Löwen-Kapitän nach dem Schlusspfiff des 2:1-Triumphs in Ingolstadt vom Stadion-Innenraum in die Katakomben einbog, musste er erst nochmal in die Kabine. Dort warteten bereits seine euphorisierten Mitspieler, um mit ihm den holländischen EM-Party-Hymne "Naar links, naar rechts" anzustimmen. "Das war in der Vorbereitung schon ein Lied, das wir als Team gefeiert haben. Als das Lied kam, ist jeder mit aufgestanden und herumgesprungen", diktierte Verlaat in die Aufnahmegeräte der Journalisten. Damals im Trainingslager im oberösterreichischen Windischgarsten, als man nach einem furiosen 2:1-Testsieg über den französischen Erstligisten Racing Straßburg mit voller Kapelle glaubte, man könne die Dritte Liga rocken.

Lange hat es gebraucht, bis der TSV 1860 in der Dritten Liga die ersten Punkte eingefahren hat. “In der Trainingswoche vor dem Spiel hat sich jeder selbst an der Nase gepackt, selbst reflektiert. Wir wollten es mehr, wir haben es mehr erzwungen und dann gehst du verdient als Gewinner vom Platz”, sagte Verlaat: “Wir wollten auch die ersten drei Spiele gewinnen. Es hat aber nicht gefruchtet. Man muss einfach jeden in der Mannschaft loben, auch die reingekommen sind. Die haben alles reingehauen und darauf lässt sich aufbauen.”

Es kann aber freilich nur ein erster Schritt sein, denn der erste Saisonsieg reicht gerade mal für eine kleine Platzkorrektur - die Löwen sind nach zuvor drei Pleiten nun auf Rang 18. Gründe zum Abheben gibt es nicht.

Dass es zu diesem leidenschaftlichen Dreier in Ingolstadt gereicht hat, lag auch an einem herausragenden Verlaat selbst. Er grätschte alles weg - und auch in der Luft bot der Holländer eine Topleistung (db24-Note 1). Symbolisch seien für ihn zwei Aktionen in der ersten Hälfte gewesen. “Du köpfst das Ding weg oder du kriegst gerade noch ein Bein davor, das beflügelt einen natürlich im weiteren Spielverlauf”, erzählte der Löwen-Kapitän und geht noch weiter: “Wenn du das Gefühl hast: Jeder von uns kommt irgendwie dazwischen, der Torwart hält mal einen, die schießen drüber, das Gefühl baut sich ja irgendwie in einem Spiel auf. Wenn du kein Tor kassierst, kriegst du natürlich irgendwo Selbstvertrauen.” Die Löwen mussten zwar trotzdem noch ein Tor schlucken, aber der Elfmeter, den Pascal Testroet sicher zum 1:2 verwandelte, war ein Geschenk.

Auch wenn Verlaat dies anders sieht, der Sieg in Ingolstadt war auch ein starkes Statement für Trainer Agis Giannikis. “Was für ein Statement?”, fragte er: “Wir wussten, dass auch in den letzten Wochen intern alles passt. Wenn man so auftrumpft, muss man sagen, dann ist auch die Mannschaft intakt.” Die Mannschaft, die von Giannikis eine neue und alte taktische Ausrichtung verpasst bekommen hat. Erst dadurch wich die allgemeine Verunsicherung - das zunächst favorisierte 4-2-2-2-System ist Geschichte, das alte 4-2-3-1 der neue Trumpf.

Die nächsten Aufgaben in der Dritten Liga werden den Löwen alles abverlangen: Nach der Länderspielpause misst sich 1860 erst mit Dynamo Dresden, dann mit Arminia Bielefeld. Verlaat: “Wir müssen uns vor keinem verstecken, aber wir bleiben bodenständig und auf beiden Beinen.”