VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Es war mitten im Wahlkampf. Als 1860-Verwaltungsrat und -Beirat Nicolai Walch in der "Brunnenmiller"-Ausgabe vom letzten Spiel der Vorsaison im Mai 2024 gegen Arminia Bielefeld (0:2) gefragt wurde, was sein größter Erfolg in der aktuellen Wahlperiode sei, antwortete der Anwalt aus Regensburg: "Die juristische Begleitung der Vertragsbeendigung mit dem alten kaufmännischen Geschäftsführer sowie die Einstellung der beiden neuen Geschäftsführer über Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der TSV München von 1860 Geschäftsführungs-GmbH durch den e.V. als deren Alleingesellschafter. Es ist immer leicht dahingesagt, dass der e.V. ja schließlich 50+1 ziehen könne. Es handelt sich aber tatsächlich um ein sehr komplexes Vorgehen mit diversen Hürden und Stolpersteinen. Wir waren in einer Situation, in der ein konsequentes Handeln dringend erforderlich war und sahen uns nicht nur einer starken Lobby, sondern auch rechtlichen Angriffen ausgesetzt."

Wie der Mutterverein das von Präsident Robert Reisinger auf der Mitgliederversammlung mehrmals übermittelte “Wir haben geliefert” gemeint hat, lässt freilich großen Interpretations-Spielraum.

Nur wenige Monate später nach diesen Statements steht der TSV 1860 jedenfalls vor einem regelrechten Scherbenhaufen: Die e.V-Entdeckung Oliver Mueller, die ganz schnell den gedemütigten Geschäftsführer Marc Pfeifer ersetzen sollte, ist nach nur 215 (!) Tagen bereits wieder Geschichte. “Wieder mal ein Fehlgriff, aber das kennen wir bei 1860 ja zur Genüge”, erklärte 1860-Idol Fredi Heiß gegenüber db24: “Es werden immer wieder die falschen Entscheidungen getroffen. Die ziehen das magisch an. Mueller hat viel erzählt - aber scheinbar war alles nur heiße Luft.”

Am Freitagabend um 20.53 Uhr, in einer Zeit, in der die Münchner Tageszeitungen längst die produzierten Seiten in der Regel verabschiedet haben, verschickte der Giesinger Traditionsverein mit einer Woche Verspätung folgende Stellungnahme: “Die TSV München von 1860 Geschäftsführungs-GmbH und der kaufmännische Geschäftsführer der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA, Oliver Mueller, haben ihre Zusammenarbeit beendet.” Einen Grund für die Trennung nannten die e.V.-Funktionäre nicht - weil es hinter den Kulissen längst der Poker um die Gehaltsfortzahlung entbrannt ist? Mueller hatte angeblich einen Geschäftsführer-Vertrag bis zum 30. Juni 2026. Wird’s eine kostspielige Trennung? Und vor allem: Wer übernimmt für das kurze Mueller-Gastspiel die Verantwortung?

Was im weiteren Statement der Geschäftsführungs-GmbH überrascht, ist dieser Satz: “In Abstimmung berufen die Gesellschafter TSV München von 1860 e.V. und HAM International Limited demnächst eine geeignete Nachfolge. Bis dahin werden die Geschäfte der Profifußball-Gesellschaft von Dr. Christian Werner allein geführt.”

Neue softe Töne in Giesing.

Befindet sich der e.V., der sich in den letzten Monaten alles andere als kooperativ gegenüber Hasan Ismaik gezeigt hat, tatsächlich plötzlich auf Kuschelkurs mit dem Mehrheitsgesellschafter? Welche Einflüsse haben möglicherweise für ein Umdenken gesorgt? Klar ist: Finanziell soll es um die Löwen alles andere als rosig bestellt sein.

Es könnte eine Mammutaufgabe auf den unerfahrenen Dr. Christian Werner, der noch vor kurzem eine Doppelfunktion als Geschäftsführer und Lehrer in Freiberg inne hatte, zukommen. Auf der einen Seite die sportliche Problematik, auf der anderen Seite der finanzielle Druck.

Riskiert 1860 jetzt alles?