VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Bernhard Winkler (58) gehört zweifelsfrei zu den ganz großen Köpfen des TSV 1860: Der Unterfranke machte den Weg von der Zweiten Liga bis in den Europapokal mit. Der Aufschwung in den 90er Jahren ist eng mit seinem Namen verbunden. Der frühere Löwen-Kapitän kann mit dem neuen Sechzig jedoch nur noch wenig anfangen. Er hat jetzt die Konsequenzen gezogen und seine Mitgliedschaft gekündigt. Das db24-Interview:

db24: Herr Winkler, die Löwen sind denkbar schlecht in die neue Drittliga-Saison gestartet, immerhin gab’s am letzten Spieltag ein wichtiges 2:1 in Ingolstadt. War das schon die Wende?

BERNHARD WINKLER: Das noch nicht, dazu braucht 1860 erst einmal Kontinuität. Aber der Sieg in Ingolstadt war natürlich wichtig und zeigt vor allem: In dieser Dritten Liga kann jeder jeden schlagen. 1860 hat ordentlich gespielt - und wenn Ingolstadt die Tore nicht macht, brauchen sie sich auch nicht zu beschweren, dass 1860 am Ende gewinnt. Was mir aber sofort aufgefallen ist: Die Löwen haben ganz anders gespielt als noch in den vorangegangenen Partien - wenn sie das mitnehmen, haben sie auch gegen Dresden eine Chance. Wichtig war in jedem Fall, das System wieder zu wechseln und nicht eine Champions League-Mannschaft zu kopieren. Du musst das spielen, was die Mannschaft am stärksten macht. Ich würde es auch begrüßen, wenn Patrick Hobsch mehr Einsatzzeiten bekäme. Er ist ein Guter für die Dritte Liga. Er braucht aber auch Bälle.

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db24: Vor ein paar Tagen kam heraus, dass Oliver Mueller nicht mehr Geschäftsführer ist: Der Verein brauchte genau eine Woche, um dies in einer Stellungnahme zu bestätigen…

Das passt natürlich alles ins Bild. Aber wundert uns das noch wirklich? Die holen den Mueller mit 50+1 als Geschäftsführer und trennen sich nach nur ein paar Monaten wieder von ihm. Da muss intern was vorgefallen sein, anders kann ich mir das nicht erklären. Ich bin gespannt, was da noch rauskommt. Aus meiner Sicht ist Mueller bei 1860 nur mit großem Poltern aufgefallen, mehr ist nicht hängengeblieben. Er hat das angesprochen, was sich seine Chefs möglicherweise nicht getraut haben, zu kommunizieren. 1860 gibt ein erschreckendes Bild ab - und das spüre ich vor allem dann, wenn ich frühere Kollegen aus der Bundesliga-Zeit treffe, die mir sagen: “Was ist denn da unten bei euch los? Früher war 1860 eine geile Adresse, aber jetzt?” Ich kann ihnen nur beipflichten: Das ist ein großes Kasperltheater!

e.V. & KGaA: Welche Note geben Sie der Transparenz des TSV 1860?

Umfrage endete am 26.09.2024 18:00 Uhr
Note 6
71% (1848)
Note 5
19% (492)
Note 4
4% (106)
Note 1
3% (77)
Note 3
1% (35)
Note 2
1% (27)

Teilnehmer: 2585

db24: 1860-Ikone Fredi Heiß hat zuletzt mahnend in der Mitgliederversammlung den Zeigefinger gehoben und wollte vom Präsidium oder Verwaltungsrat eine Antwort auf seine Fragen. Heiß wartet bis heute darauf und hat daraufhin angekündigt, nicht mehr ins Stadion zu gehen, solange diese Führung am Ruder ist. Bernd Patzke schloß sich ihm an…

Als Fan kann man getrost auf die Meinungen von Heiß oder Patzke vertrauen. Die zwei stehen für eine unvergessene Zeit, die einmalig bei 1860 war. Erst kommen die beiden - und dann lange nichts. Beide wollen den Verein erfolgreich sehen - und nicht so wie jetzt. Ich durfte neun Jahre bei den Löwen spielen, das kann man nicht aus dem Herzen schneiden, aber es geht nur noch um Politik, weniger um Fußball. Das macht alles kaputt. Es sollte immer um den größtmöglichen Erfolg gehen. Ich verstehe sowohl Heiß als auch Patzke, dass sie nicht mehr ins Stadion gehen - ich tue mir das auch nicht mehr an, selbst wenn ich eingeladen werden würde. Ich verfolge nur noch die Ergebnisse - es sind leider zu viele schwache Personen am Ruder.

db24: Wer trägt die Schuld an dieser Spaltung?

Ich betone: Ich gebe der e.V.-Seite, aber auch Hasan Ismaik die Schuld, weil beide nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Ich habe kein Insiderwissen, vielleicht ist es ganz anders. Ich finde, es wird nicht alles dafür getan, um in die Zweite Liga aufzusteigen. Das versteht kein normaler Mensch.

db24: Das ist trotzdem viel zu einfach gedacht. Das Bündnis wollte einen neuen friedlichen Weg gehen und wurde auf der Mitgliederversammlung von Protagonisten und Fans vorgeführt…

Ich hatte schon die Hoffnung, dass der ein oder andere Kandidat in den Verwaltungsrat gewählt wird: Martin Gräfer, Klaus Lutz oder Thomas Hirschberger. Das sind alles Menschen, die dem Verein mit ihren Kontakten im In- und Ausland helfen könnten. Was die andere Seite vergessen hat: Es ist nicht so einfach, Gelder für 1860 zu generieren. Das zeigt sich doch jetzt wieder. Ich finde es verheerend, dass so mit den Sponsoren umgegangen wird. Die Fans brauchen sich nicht zu wundern, wenn die Bayerische irgendwann sagt: “So, jetzt ist es genug… “ Die Frage ist: Bekommt man einen besseren Hauptsponsor? Ich sage nein. Ein anderer will vielleicht mehr Mitspracherecht.

db24: Ihnen wurde damals als VR-Kandidat der Mittelfinger entgegengestreckt…

Möglicherweise kannten mich viele junge Fans nicht, die mir den Stinkefinger gezeigt hatten. Warum es überhaupt so weit kam, weiß ich nicht. Einer sagt: “Der Winkler ist schlecht” - und die anderen folgen: “Jawohl!” Vor diesem Hintergrund darf ich mich fast glücklich schätzen, dass ich 2018 trotzdem 400 bis 500 Stimmen bekommen habe. Solange das Grünwalder Stadion wichtiger ist als alles andere, wird der Verein nicht mehr aufstehen. Ein Umbau ergibt keinen Sinn, schon jetzt zahlt man 1,5 oder 1,6 Millionen Euro Miete. Wovon träumen die alle?

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db24: Wir haben erfahren, dass Sie ihre Mitgliedschaft bei 1860 München gekündigt haben: Stimmt das?

Ja! Ich bin mit der Politik und Vorgehensweise von beiden Gesellschaftern nicht mehr einverstanden. Es kann nicht sein, dass auf dieser Ebene nicht zum Wohl von 1860 miteinander gesprochen wird - egal, welche Absichten ich habe. Deswegen werde ich auch nicht mehr in der Traditionsmannschaft spielen. Ich kann das nicht trennen. Die Führung der Löwen hat nie kapiert, wie wichtig diese Traditionsmannschaft eigentlich für den Verein wäre.

db24: Wann wären Sie bereit, bei 1860 wieder einzutreten?

Nur wenn ein vernünftiger und gemeinsamer Plan entwickelt wird, der nachhaltig ist, kann ich mir vorstellen, dass ich wieder eintrete. Alles andere macht aber keinen Sinn mehr.