VON OLIVER GRISS

Es war im Juni 2017, wenige Tage nach dem Zwangsabstieg in die Regionalliga Bayern, als der immer noch amtierende Präsident Robert Reisinger diesen folgenschweren Satz von sich gab: "Herr Fauser befindet sich in guten Gesprächen mit dem FC Bayern. Mir ist nur wichtig, dass es mit dem Auszug klappt." Wohlgemerkt aus einem der modernsten Stadien Europas - mit einem One-Way-Ticket zurück in den Stadtteil Giesing ohne Rückfahrschein. Und plötzlich war 1860 wieder in der Vergangenheit - im geliebten Grünwalder Stadion, das die Löwen auf lange Zeit limitiert.

Logisch, der Heimatgedanke war nach dem wirtschaftlichen Absturz nicht verkehrt (Stärkung des Gemeinschaftsgefühls), aber nicht daran zu denken, was passiert, wenn sich 1860 wieder Richtung Profifußball orientiert, war fatal. Die Mahner, darunter auch db24, dass 1860 den freiwilligen (und unvernünftigen) Weg in die Sackgasse gewählt hat, wurden nicht nur ignoriert, sondern als Nestbeschmutzer gebrandmarkt. Das ist die Giesinger Masche.

Und noch heute fragt man sich: Warum hat Hauptsponsor “Die Bayerische”, der für Innovation steht, diesen unvernünftigen Weg damals mitgetragen? Warum hat auch Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik alles über sich ergehen lassen? Der Weitblick hat den Löwen nach diesem Jahrhundertabstieg leider wieder einmal gefehlt - und genau das ist eines der Grundprobleme des TSV 1860. Man hat an der Grünwalder Straße 114 nicht das Gefühl, dass Vernunft einkehrt und der unbedingte Wille vorhanden ist, aufzusteigen - und wenn der Wind mal rauer wird, dann schaltet man schnell in den Abtauchmodus. Ja, das können sie alle, das muss man ihnen lassen. Seit vielen Jahren wiederholt sich die Geschichte.

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Es gibt sie zwar immer noch, die Grünwalder-Jubler, aber es ist in den letzten zwei Jahren deutlich ruhiger geworden - und das hat plausible Gründe: Die Kultstätte ist längst keine Festung mehr (1860 ist Vorletzter der Heimtabelle) - und die Stimmung wird auch immer schlechter. Standortvorteil? Von wegen! Nicht selten ist der Gastbereich, der maximal 1.500 Fans zulässt, lauter - und das musste zuletzt auch “Groundhopper” Alex Klich für seine MagentaSport-Reportage rund ums Grünwalder leidvoll erkennen. Hinzu kommt, dass die Ultras untereinander keine Einheit sind, was sich auch auf die Begeisterung auswirkt.

Dass Dieter Reiter jetzt den Löwen ein Ultimatum zum Grünwalder Stadion stellt (im Jahr 2025 muss eine Entscheidung fallen!), dafür muss man dem Münchner Oberbürgermeister überaus dankbar sein, denn anders wird sich der TSV 1860 möglicherweise nicht bewegen. Laut Sport-Bürgermeisterin Verena Dietl, die einst im 1860-Verwaltungsrat saß und immer schon als Freundin des Grünwalders galt, erklärte gegenüber der AZ, dass es mehrere Ausbaumodelle gebe. Ja, und dann ist da noch das Sportreferat unter der Leitung von Beatrix Zurek, das sich einen langfristigen Verbleib im Sechzger wünscht. Zurek? Ja, die Dame sitzt im Kontrollgremium des Vereins.

Die Faktenlage im Schnelldurchlauf: Der große Grünwalder-Umbau kostet rund 100 Millionen Euro - die Kapazitätsobergrenze liegt bei 18.105 (!) Besuchern. Diese Marke ist unverhandelbar. Die Miete, die aktuell bei 1,6 Millionen Euro liegt, dürfte am Ende geschätzt rund drei Millionen Euro ausmachen. In der Vergangenheit klagten die 1860-Verantwortlichen immer wieder über die Höhe des Mietzines. Und was immer wieder zu kurz kommt und offenbar der Letzte noch nicht verstanden hat: Sollte 1860 dem Umbau zustimmen, würde man sich für immer der Bundesliga verschließen. “Die erste Bundesliga ist dort unrealistisch”, sagte Dietl im März 2022. An den Auflagen hat sich bis heute nichts verändert. Dass man trotzdem dem Angebot der Stadt noch keine Absage erteilt hat und andere Möglichkeiten vorantreibt, wie es sich Mehrheitgesellschafter Ismaik wünscht, zeigt in welcher aussichtslosen Situation sich der TSV 1860 befindet. Ergo: Wollen sich die Löwen in eine positive Richtung entwickeln, müssen sie sich endgültig vom Grünwalder lösen - so bitter das klingt. Das Stadion wird immer im Löwen-Herzen bleiben, aber für die Zukunft ist es ein Hemmschuh.

Oliver Griss (53) berichtet seit 1989 über den TSV 1860. Er hat den Aufschwung von der Bayernliga bis in den Europapokal aus der ersten Reihe mitgemacht, u.a. 12 Jahre für die Münchner Abendzeitung.