Köllner über die kaputte 1860-Politik: "Ismaik ist Investor - man kann nicht einfach sagen: Hau ab!"
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 08.01.2025 09:01
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Gerade ist Michael Köllner (55) mit einer Delegation von vereinslosen Trainern und Sportdirektoren in Spanien, um sich potentielle Trainingslager für die eigene Arbeit anzusehen. Und natürlich ist der Oberpfälzer auch weiterhin daran interessiert, wie sich der TSV 1860 entwickelt - auch darüber spricht der Ex-Trainer der Löwen in einem lesenswerten Interview mit der "AZ": "Sechzig war meine längste Station als Cheftrainer, da schaue und lese ich nach wie vor vieles, bin wie bei den anderen Vereinen mit sehr vielen Ex-Spielern und Mitarbeitern in Kontakt und bin auch in München noch stark verwurzelt. Es war eine sehr besondere Zeit, sportlich betrachtet natürlich durch die beiden vierten Plätze hintereinander und die regelmäßige Qualifikation und die Erfolge im DFB-Pokal."Über den Gesellschafterstreit, der den Verein schon damals gespaltet hat, sagt er heute: “Ich habe das am Anfang überhaupt nicht wahrgenommen. Dass ich bei Sechzig versucht habe, allen Leuten freundlich und unvoreingenommen gegenüberzustehen, war für mich eine Selbstverständlichkeit. Für mich galt immer das Prinzip: Ich bin Trainer aller Löwen. Ich habe nicht jeden Tag in den Spiegel geschaut und mir gesagt: Heute kümmerst du dich um den e.V. – und morgen um Hasan Ismaik! Das kam aus meinem Innersten und hat auch mit meinem Glauben zu tun. Ich habe manche Dinge erst später realisiert, als mir nach und nach viele Leute die Rückmeldung gegeben haben, dass sie es schade fanden, wie sich die Lage bei Sechzig verändert hat. Hans Sitzberger hat mir auch vor einigen Wochen mal gesagt: “Köllner, es tut mir leid – wir hätten Sie nie rauswerfen dürfen! Ich habe gar nicht überblickt, was Sie für eine Rolle bei Sechzig hatten!”
Welche Rolle könnten Sie sich für Michael Köllner bei 1860 vorstellen?
Zum Cut mit dem Mutterverein kam es seiner Meinung nach mit dem Besuch bei der WM in Katar und dem anschließenden Treffen mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik: “Ich habe damals schon gemerkt, dass sich zum sportlichen Abschneiden das Verhältnis mir gegenüber stark verändert hat, in zwei großen Punkten: Zuerst hat man eine Stimmungsveränderung wahrgenommen nach der WM in Katar, als ich mich in Abu Dhabi mit Hasan Ismaik getroffen habe. Das ging direkt im darauffolgenden Trainingslager in der Türkei los, als ein hoher Funktionär bei einem gemeinsamen Essen mit Vereinsfunktionären, Sponsoren und Geschäftsführung mir gegenüber sehr ausfallend wurde.” Mit am Tisch auch Präsident Robert Reisinger und der Trachten-Bäda.
Köllner weiter: “Das Zweite war dann Ismaiks Besuch in München, bei dem neben mir noch die beiden Geschäftsführer anwesend waren. Er hat mir in diesem Gespräch das Vertrauen ausgesprochen und den Beteiligten klar gemacht, dass der Verein diesen Weg unterstützen muss, um erfolgreich zu sein. Rückblickend betrachtet hat man gemerkt, dass das Treffen gewisse Leute unter Zugzwang gesetzt und zum Aktionismus gezwungen hat. Am Ende haben einzelne Personen dann diese Entscheidung getroffen, der gesamte Verein war es nicht. Aber so ist es eben als Trainer: Man kann einer sportlichen Durststrecke zum Opfer fallen oder aus anderen Gründen, man kann sich sein Ende selten selbst aussuchen.”
Mit großer Sorge betrachtet Köllner gegenüber der “AZ” die aktuelle sportliche Entwicklung: “Diese Heimschwäche ist schon sehr besorgniserregend. Auswärts kriegst du es besser hin, aber zuhause, vor den eigenen Fans, will es nicht so recht klappen. Ich war auch überrascht von der Stimmung: Zu meiner Zeit waren Löwen-Heimspiele ausnahmslos eindrucksvolle Festtage. Bei diesem Spiel (er meint das 0:4 gegen Verl, d. Red.) war es eine Atmosphäre, die ich aus meiner Zeit so nicht kannte. Aktuell hat man das Gefühl, dass die Fans viele Probleme im Verein und auch aus der Gesellschaft mit auf die Ränge nehmen. Zudem hat die Mitgliederversammlung im Juni der generellen Stimmung sicherlich zugesetzt. Grundsätzlich tut man gut daran, die Realitäten zu akzeptieren: Hasan Ismaik ist Investor, man kann nicht einfach sagen: “Hau ab!”
In Schutz nimmt Köllner Geschäftsführer Dr. Christian Werner: “Er hat es nicht leicht, wenn sie ihn mit der Verantwortung als einziger Geschäftsführer allein lassen. Ich denke: Sechzig muss neue Werte definieren: Wie wollen wir miteinander umgehen? Wie können wir Fehler offen und ehrlich ansprechen, auch wenn es wehtut?”