"An den Rand der Insolvenz geführt": Harte Löwen-Vorwürfe gegen Mueller, der rund 600.000 Euro fordert
- VON OLIVER GRISS
- 10.01.2025 11:49
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VON OLIVER GRISS
Kurzfristig hatte das Münchner Arbeitsgericht den Prozess zwischen Ex-Geschäftsführer Oliver Mueller und der Geschäftsführungs-GmbH des TSV 1860, die den Schwarzwälder Ende August gefeuert hat, am Freitagmorgen vom kleinen Raum 13 in den großen Sitzungssaal 1 verlegt, um das große Zuschauer-Interesse zu befriedigen. Um 11.05 Uhr, nach rund 38 Minuten Dauer, war die Güteverhandlung, die unter dem Aktenzeichen 39 CA 9928/24 geführt wird und verspätet begonnen hatte, jedoch schon wieder beendet - mit einem unbefriedigenden Ausgang: Richter Florian Köhn, ein Club-Fan, konnte keine Entscheidung verkünden. Das lag zum einen daran, dass laut Aussage der Beklagtenseite das Arbeitsgericht nicht das zuständige Gericht sei und außerdem man sowieso von einer möglichen Einigung Lichtjahre voneinander entfernt ist. Frühestens im März geht es weiter.Mueller wollte anfangs für 22 offene Monate rund 600.000 Euro von den Löwen (u.a. Gehalt, Urlaub, Bonus, Freikarten, Dienstauto) - der Drittliga-Dino aus Müncen-Giesing hatte seinem fristlos gekündigten Ex-Geschäftsführer, der seit dem 1. Juli 12.000 Euro pro Monat verdiente, 50.000 Euro im Vorfeld angeboten. “Das ist die Obergrenze und angemessen. Man kann ausschließen, dass wir auf einen sechsstelligen Betrag kommen”, erklärte 1860-Anwalt Erhard Kött aus Fulda, der auf Arbeitsrecht spezialisiert ist und ohne Unterstützung der e.V.-Spitze um Präsident Robert Reisinger gekommen war.
Dagegen hält Muellers Anwalt Christian Vogt aus der Frankfurter Kanzlei Michael & Siebert, nachdem bereits sein Medienanwalt im Dezember gegenüber db24 die Vorwürfe abgestritten hat: ”Der Kläger hat sich nichts vorzuwerfen. Warum sollte sich der Kläger mit 50.000 Euro abspeisen lassen?”
Das hörte sich auf der Beklagtenseite freilich ganz anders an: Kött sprach sogar davon, dass Mueller an der Grenze zur Untreue gehandelt habe. Was rechtfertigt aus seiner Sicht die fristlose Kündigung? “Insbesondere das Verhalten gegen den Investor und Mehrheitsgesellschafter. Er ist von Mueller unfair behandelt, er ist als Clown bezeichnet worden”, erklärte Kött, der außerdem angab, dass Mueller mehrere Pflichtverletzungen begangen haben soll. Er soll auch eigenmächtig Verträge unterschrieben haben - ohne der Zustimmung von Dr. Christian Werner. “Er war nicht bereit, mit dem Co-Geschäftsführer vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Es gab ein Zerwürfnis zwischen den Geschäftsführern. Der Co-Geschäftsführer wurde übergangen. Es geht um Veträge mit einem Volumen von mindestens 120.000 Euro.”
Muss die e.V.-Seite aus dem Fall Mueller Konsequenzen ziehen - und wenn ja: Welche?
Zudem soll Mueller auch das Budget von 4,5 Millionen Euro deutlich überzogen haben. “Der Kläger hatte dem Co-Geschäftsführer ein Budget von 5,5 Millionen Euro genannt. Deswegen konnte er Spieler nicht verpflichten, was den Verein bis heute erheblich belastet. Es gibt keinen finanziellen Spielraum durch die fehlerhafte Vorgabe.” Werner konnte im vergangenen Sommer seine Personalplanung nicht abschließen, u.a. einen zweikampfstarken Sechser, den er bereits im Visier hatte, nicht verpflichten - weil Mueller als kaufmännischer Geschäftsführer offenbar falsch kalkuliert hat.
Und weiter: “Der Kläger hat die Gesellschaft an den Rand der Insolvenz geführt. Die Gesellschaft stand unmittelbar vor der Insolvenz, die Lizenz war gefährdet.” Mueller habe der Investorenseite außerdem keinen Einblick in die Bücher gewährt - und das Bridgeloan-Darlehen von Investor Hasan Ismaik einfach angezapft.
Auch in der Geschäftsstelle gab es laut des e.V.-Anwalts “erhebliche Widerstände gegen den Geschäftsführer”. Es soll Mitarbeiter gegeben haben, die unter der Regie von Mueller nicht mehr arbeiten wollten.
Der Mueller-Anwalt konterte: “Die Vorwürfe sind immer noch oberflächlich. Das Budget für den Verein wurde im Januar 2024 verabschiedet, mein Mandant kam erst im Februar. Wie komme ich dazu, dass mein Mandant eine Budgetüberschreitung gemacht hat? Der Kläger machte nichts allein, es gab einen Mit-Geschäftsführer. Er hat die wesentlichen Entscheidungen nicht alleine getroffen.” Was man hier wissen muss: Die Lizenz-Unterlagen werden in der Regel erst Mitte März abgegeben.
Eingestellt wurde Mueller per 50+1 von der Vereinsseite - an Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik vorbei, dem 60 Prozent der Fußballfirma gehören. Die Frage ist: Wer zahlt am Ende die Zeche für das eigenmächtige Handeln? Es ist nicht davon auszugehen, dass die HAM-Seite eine Abfindungszahlung für Mueller unterstützen wird - ebenso nicht die Anwaltskosten.
Das Interesse an diesem Schlagabtausch war groß. Der Sitzungssaal 1 war am Freitagmorgen ausgesprochen gut gefüllt, rund 40 Zuhörer waren gekommen. Der erste Löwen-Fan stand schon um 7.02 Uhr morgens vor dem Arbeitsgericht: Raffaele Gargiulo. Der 77-Jährige - mit Schal und Trainingsjacke - erklärte: “Ich wollte mir das nicht entgehen lassen. Es sind so viele Lügen im Umlauf. Ich wollte mir selbst ein Bild vor Ort machen.” Mit großen Fragezeichen auf der Stirn verließ der frühere Pizzabäcker am Ende das Gerichtsgebäude. Und ein e.V.-treuer Fan sagte hinterher etwas entlarvend: “Ich bin total perplex. Wie konnte man so einen Mann überhaupt nur einstellen?” Diese Frage kann er dem Mutterverein bei der nächsten Mitgliedersammlung stellen…