Hitzige Stadion-Debatte: 1860-Präsidium schiebt Verantwortung an die Stadt zurück - und nimmt Investor in die Pflicht
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 04.02.2025 13:40
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Das exklusive und ehrliche Interview von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter mit db24 in der Stadion-Frage hat die verschlafen wirkenden Löwen aufgeweckt. Der 66-jährige Politiker hat u.a. ein Ultimatum den Blauen ein Ultimatum gestellt und damit auch eine Forderung, dass er sich vom TSV 1860 eine einheitliche Stimme wünscht - und nur noch auf Schreiben des Klubs reagiert, wenn Präsidium, Geschäftsführung und Investor zusammen unterschreiben.
Jetzt hat die e.V.-Seite in einer Stellungnahme auf der vereinseigenen Homepage reagiert - mit Vorwürfen in Richtung Rathaus und einer Aufforderung gegenüber Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik.
Das Statement des Präsidiums Reisinger im Wortlaut:
Verehrte Mitglieder, liebe Löwinnen und Löwen,
in der vergangenen Woche haben verschiedene Medieninterviews zur Thematik eines zukünftigen Ausbaus des Städtischen Stadions an der Grünwalder Straße für Wirbel gesorgt. Nachfolgend möchten wir aus Sicht des Präsidiums des TSV München von 1860 e. V. den aktuellen Sachstand darstellen.
Vorweg sei festgehalten: Der TSV 1860 München hat ein ganz konkretes und handfestes Interesse an einem zweitligatauglichen Ausbau des Städtischen Stadions an der Grünwalder Straße. Dieses Interesse wurde von uns in allen Gesprächen mit der Stadt München immer wieder kommuniziert. Allerdings muss eine Wandlung des Mietvertrags möglich sein, sollte das Städtische Stadion an der Grünwalder Straße während der Laufzeit die Mindestanforderungen des zuständigen Verbandes an eine Spielstätte nicht mehr erfüllen.
Im Jahr 2018 wurde das Büro AS+P Albert Speer und Partner von der Landeshauptstadt München beauftragt, eine Machbarkeitsstudie für den Ausbau des Grünwalder Stadions zu erstellen. Das Ergebnis der Studie lag 2019 vor und im Anschluss sollten die weiteren Erfolgsaussichten in einem behördlichen Genehmigungsverfahren geprüft werden. Ein positiver Vorbescheid des Referats für Stadtplanung und Bauordnung, Lokalbaukommission wurde schließlich im August 2020 erteilt. Der Sportausschuss des Stadtrats hat im Dezember 2020 darüber beraten. Das Referat für Bildung und Sport sollte sodann im nächsten Schritt eine Beschlussvorlage für die verschiedene Ausbauvarianten als Entscheidungsgrundlage einbringen. Dies ist nicht mehr erfolgt. Zwischen 2021 und 2023 gerieten die weiteren Planungen ins Stocken.
Welche Stadion-Lösung schwebt Ihnen für 1860 vor?
Ursächlich dafür war nach unserer Überzeugung das Auftreten der COVID-19-Pandemie in Deutschland. Das öffentliche Leben kam zum Erliegen. Die Kommunen standen vor bis dahin nie gekannten Herausforderungen und die Stadt München hatte andere Sorgen, als den Umbau des Grünwalder Stadions voranzutreiben. Zumal ohnehin lange Zeit keine oder nur wenige Zuschauer zu den Spielen im Stadion zugelassen waren. Nicht zwingend notwendige öffentliche Bauvorhaben wurden zurückgestellt.
Als sich die pandemiebedingten Einschränkungen und Versorgungsengpässe zu entspannen begannen, kam es im Februar 2022 zur russischen Invasion in der Ukraine. Der Krieg führte zu einem massiven Anstieg der Preise für Energierohstoffe. In der Folge stiegen nicht nur die Baukosten in schwindelerregende Höhen. Die Einnahmen der Stadt München sanken, während zugleich die Ausgaben mehr wurden. Erhebliche Sparmaßnahmen im städtischen Haushalt waren und sind die Folge. Unter diesen Bedingungen hatte der Ausbau des Grünwalder Stadions weiterhin keine Priorität. Das sind die objektiven Gründe, warum in den Jahren 2021–2023 in der Frage „Ausbau des Städtischen Stadions an der Grünwalder Straße“ sich nicht mehr viel bewegt hat.
In der Stadtpolitik wird darum gerungen, was angesichts der finanziell angespannten Haushaltslage an Infrastruktur notwendig ist, was möglich ist und was einfach nicht mehr geht. Als Verein sind wir der Stadt München dankbar, dass die seit 2019 geplante bauliche Ertüchtigung des Städtischen Stadions an der Grünwalder Straße weiterhin auf der Agenda steht und 2025 eine Entscheidung über Art und Umfang getroffen werden soll.
Der TSV 1860 München hat keineswegs die Hände in den Schoß gelegt und auf die Stadt München gewartet, sondern sich als Hauptmieter aktiv in den gesamten Prozess eingebracht und zuletzt im Sommer 2024 einen konkreten eigenen Planungsvorschlag unterbreitet, wie ein zweitligatauglicher Umbau mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln als bisher angenommen realisiert werden könnte. Mehr können wir als Klub nicht tun. Der TSV 1860 München ist nicht Eigentümer. Die Stadt mit ihrer Planungsbehörde ist am Zug.
Nach unserem aktuellen Kenntnisstand prüft die Stadtverwaltung mit Unterstützung eines von ihr beauftragten Planungsbüros aktuell mögliche Ausbauvarianten und will die Ergebnisse nach Abschluss der Arbeiten den Mietern vorstellen. Sobald dies erfolgt ist und die wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten sowie der Mietzins bekannt sind, kann sich der TSV 1860 München nach Prüfung der Bedingungen für einen definierten Zeitraum X vertraglich binden. Wichtig zu verstehen ist: das Städtische Stadion an der Grünwalder Straße muss für die Zukunft ohnehin baulich ertüchtigt werden. Dieser Schritt ist unausweichlich und wird geschehen. Offen ist nur die Frage, ob es im Zuge dessen zu einer zweitligatauglichen Sanierung kommen wird.
Inzwischen liegt der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA und den Gesellschaftern eine Impact-Studie vor, die einen analytischen Rahmen für die Diskussion zwischen den Gesellschaftervertretern und mit der Geschäftsführung zum Thema Stadion bietet. In der Presse ist eine verkürzte Darstellung des Inhalts erschienen, die suggeriert, nur ein Neubau auf der grünen Wiese sei eine wirtschaftlich sinnvolle Option. Diese Interpretation ist nicht richtig. Tatsächlich gibt es für alle Varianten ein Für und Wider. Welche Schlüsse aus der Untersuchung zu ziehen sind, darüber wird aktuell klubintern beraten.
Unser Mitgesellschafter hat öffentlich sein Interesse an einem Stadionneubau in München oder im Umland bekundet. Das ist legitim und muss in die Diskussion einfließen können. Wir bitten die Vertreter von HAM International, ihre konzeptionellen Vorstellungen binnen der kommenden drei Monate zu konkretisieren und mit einem wirtschaftlich tragfähigen Finanzierungskonzept für das neue Stadion und die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA zu unterlegen.
db24 meint: Fast acht Jahre ist Präsident Reisinger im Amt - und immer sind die Anderen schuld? Wie hatte Oberbürgermeister Reiter zu db24 zuletzt gesagt, Reisinger sei in der Stadion-Frage ein schwieriger Ansprechpartner gewesen, der die Fakten ignoriere und die Rollenverteilung zwischen Stadt und Verein nicht verstanden habe.