Unausgegorene 1860-Variante fürs Grünwalder: Porsche auf Fiat500-Felgen - ohne TÜV
- VON OLIVER GRISS
- 07.02.2025 10:32
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VON OLIVER GRISS
Sie kennen die stummen Verkäufer in München bestimmt auch. Das sind die bunten Zeitungskästen, vor allem vor den Trambahn-Stationen, bei denen sich die Gazetten in der bayerischen Landeshauptstadt um die beste Schlagzeile des Tages streiten und die Gunst der Leser gewinnen wollen. Am Donnerstag prangte auf dem Kasten der "TZ": "Die neuen Stadion-Pläne - Aufstocken für die Löwen." Dazu werden computer-animierte Bilder der Ostkurve mit VIP-Bereich und Westkurve jeweils mit Überdachung gezeigt. Wer sich nicht tiefer mit dem Thema beschäftigt, sagt sich vielleicht: "Wow, bei den Löwen bewegt sich was." Doch hilft das den Sechzigern wirklich?Die neueste Studie soll Ex-Geschäftsführer Oliver Mueller vor seinem Rauswurf beim TSV 1860 München bei der Stadt München eingereicht haben. Es handelt sich um ein Container-Modell für 15.000 Fans, das laut Architekt Gerhard Günther “als Provisorium und nicht als endgültige Lösung” gedacht ist. Rund 25 Millionen Euro soll der Spaß kosten.
Was sich für die einen im Vergleich zum drohenden 100 Millionen-Euro-Paket für den “großen” Umbau auf 18.105 Fans wie ein Schnäppchen anhört, ist für die anderen reine Zeitverschwendung. Denn es fehlen in dieser Preis-Kalkulation unter anderem die so wichtige Sanierung der Westkurve (Bausubstanz) und noch viele andere Dinge, die Münchens OB Dieter Reiter im exklusiven db24-Interview angesprochen hat. Laut Architekt Günther hätte man “bis auf einige Medien-Richtlinien, die Zweitligatauglichkeit hergestellt”. Während Günther gegenüber der “TZ” behauptet, dass sein Vorschlag “gut angekommen ist in den Referaten”, hört sich das bei der Stadt erwartungsgemäß etwas anders an: “Der Vorschlag des Vereins lässt die notwendige Sanierung des Stadions außer Betracht, die bereits Gegenstand der Beschlussvorlage vom 30. März 2022 bei allen Varianten zum Stadionausbau war.” Irgendwie mal wieder typisch für Sechzig, das das chronische Klammern am Grünwalder nicht zu Ende gedacht hat - die Löwen-Studie ist nicht ausgereift: Das ist in etwa so, als wenn du als alter Porsche-Liebhaber deinen 911er mit Fiat500-Felgen bestückst - freilich ganz ohne Zulassung vom TÜV. Die Optik fürs Auge ist da noch eine ganz andere Sache. Es ist kaum vorstellbar, dass Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik bei solchen halbherzigen Konzepten aus der Mitte des Klubs mitgeht, nur um den Standort zu erhalten.
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Und was bei der Günther-Variante mit einem kurzen kritischen Blick auf das Modell sofort ins Auge gestochen ist und wahrscheinlich einmalig ist: Während bei den Vorzeigeklubs in Deutschland der VIP-Bereich verständlicherweise die besten Plätze im Stadion beinhaltet - also in der Mitte mit bester Sicht, sollen die Besserzahler nach dem Löwen-Vorschlag im Ostbereich verköstigt und betüdelt werden, aus dem es rund 100 Meter bis zum Tor in der Westkurve sind. Ob die Löwen dann ihren VIPs diverse Feldstecher gratis bereitstellen? Auch nicht zu unterschätzen ist natürlich, dass in der viel diskutierten Günther-Studie direkt unter dem VIP-Bereich die Gäste-Fans ihre Heimat finden. Sollen sich die Chichi-Löwen dann noch als Zugabe von den Auswärtsfans bepöbeln lassen? Man kann nur hoffen, dass die Sechzger schnell einsehen, dass diese Studie für die Katz ist. Der Kultklub braucht alles, aber kein Provisorium, sondern eine langfristige Lösung, um das Stadionproblem endlich zu lösen und sportlich wieder wettbewerbsfähig zu werden.
Oliver Griss (53) berichtet seit 1989 über den TSV 1860, darunter 12 Jahre zu Bundesliga-Zeiten für die Münchner Abendzeitung. Seit 2011 betreibt er db24.