VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Nein, den Anpfiff von Präsident Robert Reisinger wollte 1860-Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik, der das Wahlsystem der Löwen mit dem in Syrien verglichen hat, nicht auf sich sitzen lassen. “Gezielter Versuch, unsere demokratischen Vereinsstrukturen zu diffamieren. Das lassen wir nicht zu”, rüffelten die e.V.-Bosse den Jordanier.

Am Mittwochabend verschickte Ismaik eine Erklärung per Email. Seine Stellungnahme im Wortlaut:

Liebe Löwen, in den vergangenen Tagen wurde meine Kritik an der aktuellen Struktur des TSV 1860 München e.V. kontrovers diskutiert. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um meine Aussagen klarzustellen und meine tiefe Verbundenheit zu Sechzig und seinen Anhängern zu bekräftigen.

Zunächst: Ich respektiere demokratische Prinzipien und bin mir bewusst, dass sie eine zentrale Rolle in der Führung eines Vereins spielen. Deswegen weise ich entschieden den Vorwurf des Präsidiums um Robert Reisinger in einer Stellungnahme zurück, dass ich mit dem Mitglieder-basierten Vereinswesen und insbesondere mit der Satzung des TSV 1860 nicht vertraut wäre. Das ist falsch! Meine Meinung lasse ich mir vor keinem verbieten. Der e.V. wäre gut beraten, auch andere Meinungen zu akzeptieren. Doch stattdessen erinnert mich dieses Verhalten an die aktuelle politische Lage in Deutschland. Und glauben Sie mir, ich bin ein sehr weltoffener Mensch. Bis heute wurde nicht ein Gespräch mit mir gesucht, wie wir ehrlich und vor allem erfolgsbasiert zusammen arbeiten können.

Stichwort Präsidiumswahl: Wie demokratisch finden Sie den TSV 1860?

Umfrage endet am 28.02.2025 19:00 Uhr

Wahre Demokratie bedeutet nicht nur Abstimmungen und Mehrheitsentscheidungen – sie bedeutet auch Verantwortungsbewusstsein, Kritikfähigkeit, Transparenz und den Willen, gemeinsam das Beste für den Verein zu erreichen und auch ALLE Mitglieder mit ins Boot zu nehmen.

Ich wünsche mir bei zukünftigen Mitgliederversammlungen vor allem eines: Ein externes und neutrales Kontrollorgan, meinetwegen vom DFB/BFV oder dem Kreisverwaltungsreferat München, das die Mitgliederversammlung überwacht. Warum ich das thematisiere: Ich finde, man sollte nicht gleichzeitig Spieler und Schiedsrichter sein. Außerdem sollte eine angemessene und akzeptable Dauer der Veranstaltung forciert werden. Damit wirklich alle Mitglieder, egal welchen Alters und mit welchem Anfahrtsweg, daran teilnehmen können. Eine Mitgliederversammlung, die künstlich mehr als 13 Stunden in die Länge gezogen wird, hat nichts mit den Werten einer Demokratie zu tun, sondern dient einzig und allein dem Machterhalt. Dieses Procedere ist einfach nur abschreckend. Und zur Demokratie gehört auch, dass 1860 auf kritische Fragen reagiert. Ich glaube, unser Meisterspieler Alfred Heiß wartet bis heute auf eine Antwort des Präsidiums und Verwaltungsrats. Das ist bezeichnend und inakzeptabel.

Der amtierende Präsident Robert Reisinger streitet ab, dass er eine “Marionette” des Verwaltungsrats sei. Der Präsident hat bei 1860 München wenig bis gar keine Entscheidungsgewalt, muss sich meist mit dem Verwaltungsrat abstimmen. Wenn er dies nicht macht, wird er ausgetauscht. Reisinger wollte wieder antreten, das hat er mir gegenüber versichert. Der Verwaltungsrat hat ihm jetzt das Vertrauen entzogen. Dementsprechend wird Reisinger nun Opfer seiner eigenen Politik.

Wer noch immer glaubt, dass sich 1860 München auf dem richtigen Weg befindet, verschließt die Augen vor der Realität. Das geht bei der andauernden Erfolglosigkeit los und hört beim Umgang miteinander auf. Ich erinnere an die Fälle Marc Pfeifer oder Hans Sitzberger - und an die destruktive und wenig durchdachte Personalentscheidung Oliver Mueller.

Ich bin ein Verfechter von offenen Wahlen - nach dem Vorbild der Bundestagswahlen in Deutschland. Jede Partei schickt seinen Spitzenkandidaten ins Rennen. Bei 1860 wird EIN Kandidat vom Verwaltungsrat vorgeschlagen, der nichts anderes leben muss, als die lähmende Einbahnstraßen-Politik dieses Gremiums fortzusetzen. Es sollte jede/jeder zur Präsidentenwahl zugelassen werden - vorausgesetzt gewisse Kriterien werden erfüllt. Robert Reisinger hat vor einigen Jahren einmal gesagt, dass er in Aussicht stellt, dass mehrere Kandidaten zugelassen werden sollten. Natürlich ist nichts auf den Weg gebracht worden, wie so vieles andere auch.

Seit knapp 14 Jahren investiere ich Zeit, Geld und Energie in 1860 München, weil ich an das gewaltige Potenzial dieses Klubs glaube. Leider sehe ich immer wieder, dass wichtige Entscheidungen nicht im Sinne der Zukunftsfähigkeit des Klubs getroffen werden. Es fehlt an einer klaren, professionellen Strategie, die den TSV dorthin bringt, wo er hingehört: in die Bundesliga. Aber wenn ich das anspreche, kommt immer wieder der Reflex: 1860 ist nicht nur Fußball.

Fünf Monate vor der MV: Das alte Präsidium hat vom Verwaltungsrat die rote Karte gezeigt bekommen, die neuen Ober-Löwen sind noch nicht im Amt: Ist 1860 aus Ihrer Sicht handlungsunfähig?

Umfrage endet am 06.03.2025 09:00 Uhr

Meine Kritik richtet sich nicht gegen das Prinzip der Demokratie, sondern gegen Strukturen, die verhindern, dass 1860 sein volles Potenzial entfaltet. Dazu zählt, dass ein Präsident aus verschiedenen Kandidaten ausgewählt werden sollte und nicht vom Verwaltungsrat vorgegeben wird.

Ich fordere keine Alleinherrschaft, sondern eine sachliche und zukunftsorientierte Zusammenarbeit ohne persönliche Befindlichkeiten und Blockaden. Wir müssen uns fragen: Wollen wir uns weiterhin in internen Streitigkeiten verlieren, oder wollen wir endlich gemeinsam eine professionelle und ambitionierte Zukunft gestalten?

Ich bin bereit, mich konstruktiv einzubringen, wenn auch die andere Seite dazu bereit ist. Die Fans verdienen einen Verein, der nicht in Grabenkämpfen versinkt, sondern mit einer klaren Vision nach vorne geht. Und diese Vision kann nicht sein, sein gemietetes Museum Grünwalder Stadion bis zur Erschöpfung zu verteidigen und damit die Zukunft außen vorzulassen.

Einmal Löwe, immer Löwe

Hasan Ismaik