Mit 1860 spielt man nicht
- VON OLIVER GRISS
- 14.04.2025 17:26
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VON OLIVER GRISS
Spätestens bei diesem Satz bin ich ausgestiegen, zumal Ismaik die schwierige Suche nach einem potentiellen Käufer zugleich ja selbst beantwortet hat: Es wird keinen Interessenten geben, der Ismaik nur annähernd das Geld auf den Tisch legt, was sich der Jordanier vorstellt - und vor allem unter den vorherrschenden Bedingungen auf Vereinsseite (Strukturen im Klub, 50+1, Hass der Ultras auf Investoren) investiert.
Investieren heißt an der Grünwalder Straße 114 ja nicht nur, Ismaik abzulösen, sondern auch die Schulden von rund 25 bis 28 Millionen Euro zu übernehmen, das jährliche strukturelle Defizit von rund 2,5 Millionen Euro auszugleichen, einen Stadion-Bau voranzutreiben - und als Zuckerl noch eine Mannschaft hinzustellen, mit der sich die Fans identifizieren können. Dazu gibt es natürlich als Kirsche auf der Torte noch die Infrastrukturprobleme am Trainingsgelände. Der Spaß in Giesing kostet ein wahres Vermögen. Dass erst die “TZ” berichtet, dass Ismaik angeblich bereit wäre, für 25 Millionen Euro zu verkaufen - und kurze Zeit später Robert Reisinger via “SZ” davon spricht, dass “die Anteile bei einem Schuldenschnitt 25 Millionen wert” seien, lässt Ismaik müde lächeln.
1860 zu unterstützen und Visionen zu haben, ist nicht vergnügungssteuerpflichtig - und das seit Jahrzehnten. Ismaik ist nicht der erste, der bei Sechzig nicht willkommen ist: Vor ihm bekamen bereits Karl Heckl, Karl-Heinz Wildmoser, Ernst Prost oder Nicolai Schwarzer Saures - selbst Bayerische-Vorstand Martin Gräfer kann ein Liedchen singen, was passiert, wenn man nicht im e.V.-Chor mitsingt, sondern andere Gedankengänge im Kopf hat: Die Vereinigung “Bündnis Zukunft Sechzig” hat sich mit verdienten Personen schnell wieder verabschiedet. Vielleicht sollte erst innerhalb des Vereins ein Kulturwandel eintreten, denn selbst Sponsoren schauen mittlerweile ganz genau hin, was mit ihrem Beitrag passiert. Von einem großen Zulauf (“1860 ist leicht zu vermarkten”) sieht man seit dem Pfeifer-Aus übrigens nichts - welch Wunder.
Solange die Löwen-Welt nicht bereit ist, neue Wege zu gehen, wird 1860 nicht mehr aufstehen. Was viele ausblenden: Auch wenn der Klassenerhalt in der Dritten Liga mehr oder weniger geschafft ist, spielt 1860 im deutschen Profifußball nur noch eine untergeordnete Rolle: Einerseits wird der Klub für die Fantreue gefeiert, andererseits aber auch bemitleidet - und das ist für einen Sechzger die Höchststrafe.
Was allerdings nicht geht: Wenn beide Gesellschafter weiterhin mit den Gefühlen der Fans spielen - Ismaik hat mit seiner jüngsten Verkaufsankündigung viele Sympathisanten, die an ihn glauben, verschreckt - auf der anderen Seite ist der e.V. nicht in der Position, um jetzt zu sagen: “Schaut her, wir haben es ja immer gesagt!” Dass Ismaik diesen Schritt gegangen ist, ist auch darauf zurückzuführen, was für ein unwürdiges Schauspiel seit Jahren bei 1860 stattfindet.
Mit Sechzig spielt man nicht!
Ich persönlich schätze Ismaik als Mensch sehr (weil er meinen Lieblingsverein 2011 vor dem Untergang gerettet hat), als Geschäftsmann sollte er aber weniger emotional, sondern rational und klug handeln, freilich immer im Sinne von 1860 München. Und eine Vision braucht es JETZT, um das zarte Pflänzchen, das zuletzt unter Trainer Patrick Glöckner gewachsen ist, nicht wieder zu zertreten, sondern behutsam zu pflegen, zu stärken und ein Budget zur Verfügung zu stellen, um der Konkurrenz für die neue Saison zu zeigen: Achtung, die Löwen kommen!
Oliver Griss (53) berichtet seit 1989 über die Münchner Löwen, war beim Durchmarsch von der Bayernliga bis in die Champions League-Quali dabei, genauso wie 2017 beim Absturz von der Zweiten Liga bis in die Regionalliga Bayern. db24 wurde 2011 gegründet.
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