Spielerberater erinnert sich an typische Lorant-Geschichte: "Bierhoff brauchen wir nicht, wir haben Bodden!"
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 23.04.2025 07:56
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Die Klublegende Werner Lorant ist tot. Der Kulttrainer starb am vergangenen Sonntag im Alter von 76 Jahren. Sein Tod war am Ende eine Erlösung. Der Münchner Spielerberater Helmut Richter, zu glorreichen Bundesliga-Zeiten, in viele wichtige Transfers bei 1860 München verwickelt, spricht exklusiv über seine Begegnungen mit Lorant. Es ist ein persönlicher Nachruf:
Wir schreiben die Saison 1994/95. Die Sechzger nach dem Doppelaufstieg wieder in der 1. Bundesliga. Irgendwann Anfang Mai haben sie nach dem 1:1 im Freitagabendspiel auswärts beim MSV Duisburg den Klassenerhalt vor Augen. Samstag Auslaufen und Sonntag flog ich im Learjet mit Präsident Karl-Heinz Wildmoser, seinem Sohn Karl Heinz, Edgar Geenen sowie Werner Lorant und seinen beiden kleinen Kindern zur Spielbeobachtubg nach Italien. Destination Pescara. Von dort ging‘s mit zwei Taxen weiter nach Ascoli. Objekt der Begierde: Oliver Bierhoff, seinerzeit Toptorjäger bei Ascoli Calcio in der Serie B. Die Agentur, bei der ich damals arbeitete, hatte bereits Peter Nowak und Daniel Borimirov den Löwen vermittelt und Oliver Bierhoff den Löwen angeboten. Preisschild der Ablöse schlappe 1,5 Millionen Mark.
Helmut Richter.
Beim Spiel saß ich auf der Tribüne zwischen dem zigarrerauchenden Wildmoser und dem Kettenraucher Lorant und durfte mir das ganze Spiel im ‚Dunst’ die kritischen Kommentare der beiden Oberlöwen anhören. Es fing damit an, daß Bierhoff mit einer Oberschenkelbandage auflief, was Werner die Bemerkung entlockte, daß man so nicht Fußball spielen kann. Und Wildmoser listete im Stile eines Autoverkäufers sämtliche Schwächen von Bierhoff auf - nach dem Motto, er könnte ja billiger hergehen.
Das Spiel endete keineswegs “torarm‘ italienisch, sondern mit einem 5:4 für Ascoli, Matchwinner war Oliver Bierhoff mit drei Toren. Nach dem Spiel waren die Herren kurzzeitig etwas ruhiger. Lorant hatte beim abendlichen Fischessen am Strand von San Benedetto del Tronto seine Analyse kurz und bündig mit seiner typischen Handbewegung formuliert: “Den Bierhoff brauchen wir nicht, wir haben ja den Olaf Bodden!”
Das Thema war also schnell durch. Kurz vor Mitternacht waren wir eine Erfahrung reicher und wieder zurück in München. Die weitere Geschichte ist bekannt. Sechzig etablierte sich mit Lorant als Coach und Bodden als Sturmtank nachhaltig in der Bundesliga, Bierhoff wechselte zu Udine, erzielte 1996 im EM-Finale das golden goal und machte Deutschland zum Europameister.
RIP Werner Lorant!