Das db24-Interview mit 1860-Idol Heiß: "Lorant hat in einer Saison zweimal die Bayern besiegt - wer kann das von sich behaupten?"
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 30.04.2025 08:09
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
db24: Für die jüngeren Menschen unter uns, die die Zeit des vor einer Woche verstorbenen Kult-Trainers Werner Lorant nicht mehr erlebt haben: Herr Heiß, was war Lorant für 1860?
FREDI HEISS: Lorant war von der Art her wie Max Merkel - die beiden waren sich sehr ähnlich. Lorant hatte vor nichts Angst. Er hatte mal zu mir gesagt: “Fredi, wenn du Angst hast, verlierst du.” Dieser Spruch hat ihn bei 1860 geprägt. Lorant hatte seine Spieler immer im Griff. Er war anerkannt. Lorant war als Mensch und Trainer einmalig. Natürlich hatte er auch seine Eskapaden, aber die hat er mit Erfolg ausgeglichen. Er konnte seine Manschaft pushen und verändern wie kaum ein Zweiter.
db24: War er der wichtigste Kopf der letzten 50 Jahre?
Wenn man von der Meistermannschaft absieht, war Lorant der wichtigste Mann bei 1860 - in Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Wildmoser. Das war eine Schau. Damals war alles auf Fußball ausgerichtet, nicht so wie heute, in der die 1860-Führung den anderen Sparten dieselbe Aufmerksamkeit schenkt wie dem Fußball. Bei 1860 gibt es weit und breit keinen, der lobt und tadelt. Wie willst du da besser werden? Genau deswegen tritt der Klub auf der Stelle. 1860 wird nicht wie ein Fußballverein geführt, sondern wie ein x-beliebiger Turn- und Sportverein. Und es gibt tatsächlich Menschen, die das auch noch unterstützen: Wer die letzten acht Jahre gut findet, dem kann ich leider nicht mehr helfen.
db24: Wo landet Lorant bei Ihnen in der Ahnengalerie?
Ich bin jetzt 70 Jahre bei Sechzig. Lorant und Max Merkel sind die Aushängeschilder des Klubs, sie sind ganz vorne dabei. Lorant hat in einer Saison zweimal den FC Bayern bezwungen. Wer kann das in Deutschland von sich behaupten? Ich glaube, da gibt´s ganz wenige. Unter Lorant hat das 1860 geschafft. Aber klar: Es gibt noch einen Größeren - den Radi. Er war eine Institution, nicht nur in München, sondern in ganz Deutschland. Er hat sich selbst als König bezeichnet - und tatsächlich war´s so: Er war der Größte!
db24: Sie waren damals als Vize-Präsident in die Verpflichtung von Werner Lorant involviert: Wie ist das genau abgelaufen?
Wir haben uns - Präsident Karl-Heinz Wildmoser, Manager Helmut Schmitz und ich - auf den Weg nach Würzburg gemacht. Dort haben wir uns dann mit Lorant in einer Autobahngaststätte getroffen und verhandelt. Wir hatten damals mit vielen Kandidaten gesprochen - aber nur Lorant war absolut überzeugend. Er sagte: “Ich will das und so - und wenn ihr mich nicht wollt, dann könnt ihr sofort wieder heimfahren!” So war er. Er hatte mich so stark an Max Merkel erinnert.
db24: Und doch hat’s noch ein wenig gedauert, bis 1860 dann klar mit Lorant war…
(lacht): Ja, ein paar Tage später hatte mich Karl-Heinz Wildmoser angerufen und gesagt: “Fredi, was hältst du wirklich von Lorant? Stell dir vor, der Sauhund hat schon bei Borussia Fulda unterschrieben - und die wollen von uns jetzt 250.000 Mark.” Dass er schon bei einem anderen Klub im Wort stand, hatte uns Lorant an der Autobahnraststätte natürlich nicht erzählt. Wildmoser verhandelte dann weiter - und er hatte Lorant dann auf eigene Faust finanziert. Dafür meine allerhöchste Hochachtung. Wäre Lorant damals nicht gekommen, weiß ich nicht, ob 1860 jemals wieder Bundesliga gespielt hätte…
db24: Der designierte Präsident Gernot Mang hat nach db24-Informationen schon mit dem ein oder anderen Ehemaligen gesprochen mit dem Versprechen, den “Alten” bei 1860 wieder mehr Gehör zu schenken. Gut oder?
Ja, wenn das die neue Denkweise ist, dann finde ich das tatsächlich positiv. Wir, damit meine ich Bernd Patzke, Hansi Reich und ich, haben nächste Woche auch einen Termin mit dem neuen Präsidium. Wir sind bereit, wenn neue Leute kommen, die 1860 anders führen wollen. Ich höre mir das an und bin gespannt. Ich hatte ja die aktuelle Führung auf der letzten Mitgliederversammlung gefragt, wie sie es ohne Ismaik eigentlich machen wollen - eine Antwort habe ich bekanntlich nie erhalten…
db24: Waren Sie überrascht, als Hasan Ismaik vor einigen Wochen seine Anteile öffentlich angeboten hat?
Ja, schon irgendwie. Ich habe allerdings keine Ahnung, was Ismaik dazu bewogen hat. Finden wird sich unter den aktuellen Voraussetzungen keiner, der seine Anteile übernimmt, ein Stadion hinstellt und eine neue Mannschaft finanziert, um einen erfolgsversprechenden Weg zu gehen. Wir reden da von ganz großen Investitionen. Und was wir festhalten müssen: Als 2011 dem Verein das Wasser bis zum Hals stand, war nur Ismaik da, um 1860 zu retten. Er hat sich damals aufs Glatteis führen lassen. Und ich frage mich auch heute noch: Wer soll das alles bezahlen? Das Sechzger-Stadion wird mit Sicherheit nicht ausreichen…
db24: Zurück zu Lorant Am Donnerstag findet eine Trauerfeier in der St. Helena-Kirche in Untergiesing statt: Gelungen von 1860?
Man muss immer die finanzielle Situation von 1860 sehen. Der Verein spielt ja nur noch in der Dritten Liga. Lorant hat es auf jeden Fall verdient, dass er einen großen Rahmen bekommt. Schließlich war er derjenige, warum 1860 wieder auferstanden ist.
db24: Wie sehen Sie den aktuellen Trainer Patrick Glöckner?
Wenn man sich die Vorrunde ansieht und das mit jetzt vergleicht, hat Glöckner eine Signatur abgegeben. Er hat was bewegt, die Mannschaft hat wieder Selbstvertrauen, das Spiel mit dem Ball ist viel besser geworden.