VON OLIVER GRISS

April 1984, Gründonnerstag: Ein Tag, der mich bis heute nicht los lässt.1860 schießt die SpVgg Fürth mit 6:1 aus dem Grünwalder Stadion. Damals hat mich als 12-jähriger Bub nicht unbedingt der Aufstieg des jungen Wiggerl Kögl an der Seite von Jürgen Korus interessiert, sondern neben der furiosen Aufholjagd vor allem die gigantische Stimmung auf Giesings Höhen. Über 30.000 waren gekommen. Gänsehautstimmung pur. Besser als jeder Bravo-Starschnitt, wertvoller als jede Taschengeld-Erhöhung. Sechzig & Giesing - das war meine erste Liebe. Und die vergisst man bekanntlich nie. 1860 war schick trotz Bayernliga - dank seiner großartigen Fans.

Der Fußball lebte von den Emotionen. Nicht unbedingt von den Schlagzeilen, sondern von der Begeisterung, der Faszination in der Kurve. Vom Adrenalin. Vom Miteinander. Fremde Menschen fielen sich in die Arme, auf den Straßen in Giesing wurde gefeiert. Heute dagegen geht’s bei der Geldmaschine Fußball nur noch darum, wie man Fans erzieht und ihnen das Leben so schwer wie möglich macht. Freilich, Gewalt hat in und um dem Stadion nichts zu suchen.

Nun ist ein internes Papier der DFL aufgetaucht. Diesem sollen die Verein am 12. Dezember zustimmen. Es geht um Stadionverbote für Spruchbänder, Kollektionsstrafen für ganze Fanclubs und -kurven und um einen ominösen Verhaltenskodex. Das interne Dokument ist mit dem Titel "Sicheres Stadionerlebnis" bekannt. Das Papier ist in sechs Handlungsfelder unterteilt, der Kern betrifft jedoch einen Verhaltenskatalog, dem sich auch die Löwen-Fans unterwerfen sollen. Der 1860-Fanrat rät seiner Vereinsführung, das Schriftstück nicht zu unterschreiben. Die DFL plant einen finalen Schlag gegen die Fankultur - mit der Zustimmung der 1860-Bosse?

Leichtfertig wird von den DFL-Männern am Schreibtisch in Kauf genommen, dass der Fußball seinen Reiz verliert: Den Kick in der Kurve. 

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