VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS-FOTO)

Es war ein Paukenschlag: Peter Cassalatte ist nach dem Desaster gegen Regensburg als Präsident des TSV 1860 zurückgetreten. Er wollte den Kurs aus Teilen des Vereins nicht mehr mitgehen. Im exklusiven zweiseitigen dieblaue24-Interview spricht der 63-jährige Münchner über die genauen Beweggründe seines Ausscheidens und die miserablen Zustände in der Schaltzentrale an der Grünwalder Straße 114a.

dieblaue24: Herr Cassalette, warum sind sie von ihrem Amt als 1860-Präsident zurückgetreten?

PETER CASSALETTE: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinem Kontrollgremium, dem Verwaltungsrat, war schon seit längerer Zeit nicht mehr möglich. Vom ersten Tag als Präsident musste ich gegen Bestrebungen von einzelnen Verwaltungsrat-Mitgliedern kämpfen, die für einen Weg ohne den Investor waren - mir aber niemals einen konkreten Plan vorgelegt haben, wie dieser Plan aussehen soll. Nach dem Abgang von Karl-Christian Bay aus dem Verwaltungsrat Ende 2016 war der Verwaltungsrat aus meiner Sicht führungslos und eine Zusammenarbeit zum Wohle von 1860 nicht mehr möglich. Jetzt habe ich meine Konsquenenzen daraus gezogen. Es ging einfach nicht mehr. Ich wollte mit meinem Abschied Licht ins Dunkel bringen. 1860 zerstört sich leider von innen.

Können Sie noch konkreter werden?

Ja, das kann ich: Als es letzte Woche darum ging, einen Weg zu finden, wie die Lizenz für die 2. bzw. 3. Liga erlangt werden könnte, beziehungsweise wie auf die Wünsche von Hasan Ismaik eingegangen werden kann, habe ich das Präsidium und Dr. Markus Drees (der Verwaltungsrat-Boss, d. Red.) zu zwei dringlichen Terminen eingeladen. Der Vorsitzende des Verwaltungsrates war zu keinem Termin anwesend. Er befand sich in Österreich und musste beim zweiten Termin am 28. Mai ein Fußballspiel von Rapid Wien besuchen. Auch am Tag nach dem Abstieg war kein Verantwortlicher des Verwaltungsrates in der Geschäftsstelle. Das zeigt mir, wie groß das Interesse von diesem Herrn war, den TSV 1860 noch zu retten und eine vernünftige Lösung zu finden.

Worin liegt der Fehler?

Dieser Verein kann mit diesen Strukturen und diesen Leuten, zum Beispiel auch in der Fußballabteilung des e.V. - im Profifußball nicht erfolgreich sein. Bei der letzten Versammlung der Fußballer bejubelten 30 bis 40 anwesende Mitglieder einige populistische Aussagen des Abteilungsleiters Roman Beer und es wurde über richtungsweisende Dinge, welche auch die Profifußballer der KGaA betrifft, abgestimmt. Das ist krank! Wir reden von der größten Abteilung mit 18.000 Mitgliedern im Verein - und es entscheiden aber nur 40 Leute über die Zukunft unseres Vereins. Statt sich Sorgen zu machen was in der Jugendabteilung derzeit verkehrt läuft, betreibt man in dieser Abteilung Selbstbeweihräucherung in Reinkultur und polemisiert. Aussagen wie “Der Verein lebt” sind kontraproduktiv. Der Verein ist in sich völlig zerstritten, dies überträgt sich auf die Mitglieder, Fans und letztlich auch auf die Mitarbeiter, Funktionäre und Spieler.

Der “kicker” hatte darüber berichtet, dass es einen Streit zwischen Geschäftsführer Ian Ayre und Ihnen gegeben hätte.

Das stimmt nicht. Immer wieder werden ganz bewusst Unwahrheiten aus dem eigenen Lager gestreut, um den Verein auseinander zu dividieren. Es gab niemals einen Streit zwischen uns. Im Gegenteil: Wir wollten gemeinsam einen Weg finden, alle unter einen Hut zu bringen. Aber das ist in diesem Verein offenbar nicht möglich. Ian war für 1860 ein Segen. Warum er letztlich zurückgetreten ist, muss er selbst beantworten. Aber diese internen Querelen haben ihn mit Sicherheit sehr, sehr befremdet.

In einer großen Zeitung war zu lesen, dass Sie keine Verantwortung für die Fußball-Firma übernehmen wollen…

Dieses Zitat wurde aus einer anderen Tageszeitung genommen - und ohne Rücksprache mit mir unsachlich und unfair kommentiert. Nun habe ich Verantwortung übernommen und bin zurückgetreten und dieselben Menschen werfen mir jetzt vor, dass ich mich aus dem Staub gemacht habe. Ich habe in den letzten anderthalb Jahren sehr viel Zeit und Kraft in den Verein gesteckt - aber der Umgang mit der Münchner Journalie ist extrem schwer.

Ihnen wurde immer wieder eine gewisse Nähe zu Investor Hasan Ismaik nachgesagt…

Ich habe vom ersten Tag an für einen gemeinsamen Weg mit Hasan Ismaik gekämpft. Wie der Weg gegen ihn aussieht, haben meine Vorgänger eindrucksvoll erfahren müssen. Respekt gegenüber einem Menschen, der den TSV 1860 vor einigen Jahren vor dem Ende des Profifußballs bewahrt hat und seitdem viel Zeit, Geld und Herzblut investiert hat, war für mich ein wichtiger Bestandteil. Ich habe dabei auch versucht, die tiefen Gräben zwischen KGaA und Verein zuzuschütten, was mir sicherlich zu weiten Teilen auch gelungen ist.

Wie tief haben Sie die Vorwürfe getroffen, dass Sie eine Marionette von Ismaik gewesen sein sollen?

Man muss einen starken Charakter haben, um das auszuhalten. Ich war nie eine Marionette von Hasan Ismaik! Wir haben viele Dinge oft kontrovers diskutiert und immer versucht, alles zum Wohl von 1860 zu lösen. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass er unter den gegebenen Umständen - Stichwort Strukturen im Verein - solange keine größeren Summen mehr investieren will, bis sich diese ändern. Wie kann es sein, dass der Geschäftsführer der Firma, welche er finanziert und an der er die Mehrheit hält, nicht von ihm bestimmt werden kann? Der deutsche Fußball muss sich überdenken.