Memmingen-Boss: "Wir sind Feierabendfußballer!"
- VON TOBIAS BISCHOF
- 13.07.2017 15:46
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VON TOBIAS BISCHOF
Der Löwe ruft, die Fans schwärmen. Der Liga-Auftakt in Memmingen (heute, 19 Uhr, dieblaue24-Liveticker) ist seit Wochen ausverkauft. Wir haben uns vor dem Start mit Memmingens Präsident Armin Buchmann unterhalten. Das Interview:
dieblaue24: Herr Buchmann, wir fangen mit einer einfachen Frage an: Für welchen Verein in Deutschland schlägt eigentlich Ihr Herz?
ARMIN BUCHMANN: Wenn Sie die Frage in Richtung eines Profivereins gerichtet haben, muss ich Sie enttäuschen. Mein Herz schlägt ganz klar für den FC Memmingen, für den ich mich seit vielen Jahren engagiere. Das geht hier über die Vereinsarbeit und Fußball hinaus, weil hier viele Freundschaften entstanden sind und wir gemeinsam etwas bewegen können.
Die Löwen sind ja aus dem Profifußball in den Amateurfußball abgestiegen. Wie muss man sich nun die Spieler des FC Memmingen vorstellen: Sind diese reine Amateure oder müssen sie nebenbei noch einer anderen Tätigkeit nachgehen?
Der FC Memmingen ist ein reiner Amateurverein, von den Spielern über die Trainer und die Funktionäre. Alle gehen einem Beruf nach, sind in Ausbildung oder Studium. Sprich, wir sind Feierabendfußballer. Nach dem Job kommt der Sport. In der Vorbereitung standen die Jungs bis zu sechsmal in der Woche auf den Platz, um in der Regionalliga mithalten zu können. Viel Freizeit bleibt da nicht mehr.
Und wie sieht es mit dem Gehalt der Spieler beim FC Memmingen aus?
Da ist das Wort Gehalt schon falsch. Aufwandsentschädigung trifft da schon eher zu. Im Vergleich zum Aufwand nimmt sich das bei uns sehr bescheiden aus. In Memmingen spielt mit Sicherheit niemand aus finanziellen Gründen.
Bei Ihrem Team stehen drei Abgänge acht Neuzugängen gegenüber. Was für sportliche Ziele hat denn der FC Memmingen in dieser Saison?
Wir haben eine überragende Saison mit dem fünften Tabellenplatz hinter uns. Eine Platzierung, die für einen Amateurverein eigentlich gar nicht drin ist, denn die halbe Liga arbeitet unter Profi- oder zumindest semiprofessionellen Bedingungen. Für die reinen Amateurvereine geht es eigentlich realistisch erst ab Rang zehn los und das bedeutet: Kampf um den Klassenerhalt. Unser Ziel ist es, unseren Fans begeisternden Fußball zu bieten und mit der Konkurrenz mitzuhalten. Für uns ist die Regionalliga die Champions-League der Amateure.
Heute kommen die Löwen: Wie viele Karten hätten Sie denn für dieses Spiel verkaufen können?
Das ist schwer zu sagen. Wir zählen die Anfragen nicht, die zuhauf bei uns reinkamen. Vielleicht doppelt so viele, vielleicht auch drei- oder viermal so viele, wie unsere 5.000 Plätze.
Es hätte ja die Möglichkeit gegeben Zusatztribünen auf zu stellen. Letztendlich haben Sie jedoch nur 5000 Zuschauer zugelassen. Warum haben Sie sich als Verein so entschieden?
Wir haben Erfahrung mit Zusatztribünen. Es ist nicht nur eine wirtschaftliche Entscheidung. Ein zusätzlicher Stehplatz auf einer Zusatztribüne kostet in etwa so viel wie der reguläre Eintritt. Wenn die Tribüne voll ist, wird das ein Nullsummenspielen, für das sich der Aufwand nicht rechnet. Wenn die Zusatztribüne nicht voll besetzt ist, wird es zum Draufzahlgeschäft. Wesentlich höhere Eintrittspreise waren für uns auch kein Thema, denn das hier ist immer noch vierte Liga. Mehr Zuschauer erfordert auch ein anderes Sicherheits- und Parkkonzept mit mehr Aufwand und höheren Kosten. Ganz davon abgesehen, dass es auch zeitlich nach der Bekanntgabe des Eröffnungsspielgegners schwer umzusetzen gewesen wäre. Auch war nicht abzusehen, dass es einen derartigen Hype geben wird. Denn mal ehrlich, wer zwei Klassen abstürzt und immer noch ein derartiges Interesse auch im eigenen Lager auslöst, das ist ungewöhnlich. Woanders wäre auch das Faninteresse deutlich gebröckelt. Da ist 1860 München eben doch ein ganz besonderer Verein.
Wenn man sich die Löwen aus dieser Saison ansieht, stellt man fest, dass Sie fast nichts mit der Mannschaft aus der letzten Saison gemein haben. Wie sehen Sie die Mannschaft und die Situation des Vereins in diesem Jahr?
Man sollte nicht vergessen, dass die Löwen-Amateure in der vergangenen Saison Vize-Meister geworden sind, also in der Regionalliga schon eine sehr gute Rolle hinter dem Überteam der SpVgg Unterhaching gespielt haben. Daniel Bierofka hat mit seiner jungen Truppe hier Tolles geleistet. Auf diese jungen Spieler lässt sich aufbauen und den einen oder anderen Profi gibt es ja schon, also ist die Mannschaft sicher jetzt schon auf dem Papier stärker einzuschätzen.
Der Abstieg und das Umfeld haben 1860 in den letzten Wochen mit Sicherheit nicht gutgetan. Wo sehen Sie die Löwen?
Hellseherische Fähigkeiten habe ich leider nicht. Es gibt ja neben dem Sportlichen bei 1860 noch andere Herkulesaufgaben zu stemmen, das wird sich sicher auf den Gesamterfolg auswirken. Als Regionalliga-Vertreter würden wir aus Eigeninteresse 1860 natürlich gerne mehr als ein Jahr bei uns sehen. Aber wir können natürlich die Wünsche, schnell wieder in die Bundesligen zurückzukehren, sehr gut verstehen. Mit so einer Fanbase muss in München mehr drin sein.
Die Liga ist ja in dieser Saison sehr ausgeglichen. Wie sehen Sie die Chancen der Münchner, was den Aufstieg anbelangt?
Wie gesagt, sportlich traue ich den Löwen eine starke Rolle zu, auch wenn sie natürlich von allen Mannschaften gejagt werden. Das Drumherum wird die entscheidende Rolle spielen.
Das erste Spiel gegen 1860 zu haben ist mit Sicherheit etwas ganz Besonderes. Was wird denn den Deutschen Meister von 1966 in Memmingen erwarten?
Uns alle erwartet hoffentlich ein toller Fußballabend mit besonderer Atmosphäre. Die Sechziger sind traditionell bei uns stark verwurzelt, so dass auch in den Heimbereichen viele Löwen-Trikots zu sehen sein werden. Das haben wir beim Kartenverkauf gesehen. Einige unserer Sponsoren unterstützen im Amateurbereich den FC Memmingen, höherklassig sind sie 1860-Anhänger und werden vermutlich auch blau-weiß statt rot-weiß erscheinen. Sportlich werden natürlich versuchen voll dagegen zu halten.
Hand auf’s Herz: Haben Sie Sicherheitsbedenken wegen der Löwen-Invasion?
Es ist natürlich ein besonderes Spiel. Sicherheitsdienst und Polizei sind darauf vorbereitet. Der Sicherheitsaufwand ist hoch. Das wird Bundesliga-Standard in der vierten Liga sein. Durch unsere Jahre in der Regionalliga Süd hat die Memminger Arena DFB-Standard. Wir freuen uns auf die aktive Münchner Fanszene, die sicher auch für eine besondere Atmosphäre sorgen werden. In Memmingen haben wir eher ein Familienpublikum und wie gesagt, sicher auch viele Sechziger-Sympathisanten im Heimbereich, die sich alle einfach nur auf einen schönen Fußballabend freuen. Was noch wichtig ist: Da Spiel ist restlos ausverkauft. Es gibt keine Tageskasse. Wer keine Eintrittskarte hat, kommt nicht ins Stadion.